Beschwerde oder Siegelung?

Werden im Rahmen einer Hausdurchsuchung Gegenstände “sichergestellt”, kann der Betroffene entweder die Siegelung verlangen oder Beschwerde gegen die “Sicherstellung” führen. Bei der Wahl des Rechtsbehelfs ist er indessen nicht frei. Die Wahl des richtigen Wegs wird aber immer schwieriger.

In einem zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid klärt das Bundesgericht eine der sich immer wieder stellenden Fragen (BGE 1B_394/2017 vom 17.01.2018). indem es zwischen siegelungsfähigen und siegelungsunfähigen Objekten unterscheidet

Siegelungsfähig ist nur, was einer Durchsuchung i.S.v. Art 246 StPO zugänglich ist. Nicht siegelungsfähig soll sein, was spurentechnisch zu analysieren ist (Art. 182 ff. StPO), nicht also die im vorliegenden Verfahren sichergestellten Schlüssel, Drogen und Sonnenbrillen:

Weder ist ersichtlich, inwiefern es sich dabei um zu durchsuchende Schriftstücke, Aufzeichnungen und Datenträger im Sinne von Art. 246 StPO handeln könnte, noch, inwiefern daran schutzwürdige Geheimnisrechte im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO angerufen werden könnten. Mutmassliche Drogen sind nicht (nach Art. 246 StPO) zu “durchsuchen”, sondern spurentechnisch und chemisch-toxikologisch zu analysieren (vgl. Art. 182-191 StPO). Dafür sind sie sicherzustellen und zu Einziehungs- und Beweiszwecken zu beschlagnahmen (Art. 263 Abs. 1 lit. a und lit. d StPO i.V.m. Art. 69 f. StGB). Der Beschwerdeführer legt auch keine schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen an den sichergestellten mutmasslichen Betäubungsmitteln oder an den Drogenutensilien dar (E. 2.6).

Was nicht siegelungsfähig ist, muss beschlagnahmet werden und der Betroffene kann sich mit Beschwerde gegen den Beschlagnahmebefehl zur Wehr setzen.

Siegelungsfähige Aufzeichnungen sind demgegenüber nicht zu beschlagnahmen, sondern (mangels Gefahr in Verzug ohne gesetzliche Grundlage) sicherzustellen und – auf “Gesuch” des Betroffenen hin – zu siegeln, sofern Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht werden. Die Beschwerde ist ausgeschlossen (aber wohl nur, wenn auch Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht werden):

Soweit der Geheimnisschutz von durchsuchbaren sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen betroffen ist (Art. 246-248 StPO), schliesst das Gesetz die Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz ausdrücklich aus (Art. 248 Abs. 3 i.V.m. Art. 380 StPO). Statt dessen ist in diesen Fällen der Rechtsbehelf des Siegelungsbegehrens (Art. 247 Abs. 1 i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO) zu ergreifen und (im Falle eines Entsiegelungsgesuches) das Entsiegelungsverfahren vor dem ZMG zu durchlaufen. Gegen den Entsiegelungsentscheid kann (unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. BGG) grundsätzlich Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht erhoben werden (vgl. Art. 80 Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG).
Zu durchsuchende gesiegelte Beweismittel (etwa abgerufene Fernmeldenachrichten auf sichergestellten Mobiltelefonen) sind erst  nacherfolgter Entsiegelung und Durchsuchung förmlich zu beschlagnahmen (Art. 263 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 246-248 StPO). Vorher kann die Staatsanwaltschaft auch gar noch nicht im Detail wissen, was sie sichergestellt hat, was beweisrelevant ist und was sie überhaupt unter welchem Titel förmlich beschlagnahmen will (vgl. BGE 143 IV 270 E. 4.4 S. 273; 141 IV 77 E. 4.1 S. 81; Urteile 1B_273/2015 vom 21. Januar 2016 E. 1.2; 1B_65/2014 vom 22. August 2014 E. 2.2, 2.4) [E. 2.3].
Damit wissen alle Staatsanwälte, was zu beschlagnahmen oder vorerst bloss sicherzustellen ist. Und alle Betroffenen wissen, ob sie siegeln oder Beschwerde führen können. Wer sich als Verteidiger nicht dem Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung aussetzen will, macht am besten immer beides, falls es sich der Betroffene leisten kann.