Bundesgericht: Sicherheit vor Recht

Mit einem heute publizierten Urteil erlangt die Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Dimension, die ich mir bis vor ein paar Stunden fast nicht vorstellen konnte (BGer 1B_548/2017 vom 29.01.2018).

In einem Nachverfahren (Verlängerung einer kleinen Verwahrung bzw. nachträgliche Anordnung einer bereits “rechtskräftig” abgelehnten Verwahrung) hat die Staatsanwaltschaft alles unternommen, um den Betroffenen bis zum Entscheid des Obergerichts in Haft halten zu können. Was ihr strafprozessual zunächst nicht gelang, schaffte sie über eine fürsorgerische Unterbringung. Das zuständige Gericht hat dann aber die Entlassung aus dem FU angeordnet.

Anstatt sich den Berufungs- und Zivilrichtern zu beugen, hat die Staatsanwaltschaft weiter um die Sicherheitshaft gekämpft und das Bundesgericht angerufen. Sie brachte das Bundesgericht dazu, ihre Beschwerde gegen die Abweisung der beantragten Sicherheitshaft gutzuheissen und die Sache zurück an das Obergericht zu weisen, und zwar gemäss Urteilsdispositiv “zur unverzüglichen Anordnung von Sicherheitshaft”.

Um die Beschwerde gutheissen zu können musste das Bundesgericht u.a. begründen dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass das Obergericht des Kantons Zürich die beantragte Verwahrung anordnen würde. Genau dies hatte aber die Verfahrensleitung des Obergerichts verneint. Das Bundesgericht weiss aber offenbar besser als die Verfahrensleitung des Obergerichts, dass das Obergericht wahrscheinlich verwahren wird:

Damit bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die II. Strafkammer des Obergerichtes im hängigen Verfahren betreffend nachträgliche Verwahrung aufgrund von neuen Beweismitteln und Tatsachen andere Schlüsse zur Gefährlichkeit und Therapierbarkeit des Beschwerdegegners ziehen könnte als noch bei der obergerichtlichen Prüfung der direkten Verwahrung im Jahre 2007. Die Ansicht der Vorinstanz, es lägen keine erheblichen neuen Tatsachen (im Sinne von Art. 65 Abs. 2 StGB) vor, kann im hier massgeblichen Zusammenhang nicht geteilt werden. Insbesondere die (gutachterlich erst seit 2015 festgestellte) paranoide Persönlichkeitsstörung sowie die schwere Persönlichkeitsstörung vom sogenannten Borderline-Typus sind neue medizinische Fakten, welche das Obergericht bei seinem Urteil von 2007 noch nicht berücksichtigen konnte. Diese Krankheiten bestanden laut dem neuen psychiatrischen Gutachten offenbar schon im Tat- und Urteilszeitpunkt.

Daran vermögen auch die Vorbringen des Beschwerdegegners nichts zu ändern, eine nachträgliche Verwahrung scheitere zum Vornherein daran, dass er am 11. Januar 2018 aus der fürsorgerischen Unterbringung entlassen worden sei, eine andere Würdigung “desselben” Beweismittels begründe keine neue Tatsache, das Gutachten von 2006 sei ausführlich und präzise gewesen, und ein “unzureichender Strafvollzug” begründe ebenso wenig eine neue erhebliche Tatsache wie die aktuelle Gefährlichkeitsprognose (E. 6.7).

Ob das Obergericht dereinst die Verwahrung aussprechen wird, darf man bezweifeln. Was aber sicher ist: die Verfahrensleitung muss gemäss Ziffer 1 des Urteilsdispositivs die Haft anordnen:

Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 15. Dezember 2017 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen zur unverzüglichen Anordnung von Sicherheitshaft.

Bestimmt wird das Urteil von der breiten Öffentlichkeit begrüsst und das Bundesgericht für seinen Mut zur Sicherheit gerühmt werden.