Der Staatsanwalt als Verteidiger

Wenn es um die Prüfung des Anspruchs einer beschuldigten Person auf eine amtliche Verteidigung geht, stellen die Strafbehörden ihre Verfahren als einfach dar. Dass der Verteidiger indirekt auch öffentliche Interessen wahrnimmt, spielt dann keine Rolle mehr. Der Staatsanwalt ist ja im Grunde auch ein bisschen Verteidiger und das muss dann auch reichen.

Kein Problem ist nach einem neuen Entscheid des Bundesgerichts auch, dass die Privatkläger anwaltlich vertreten sind (BGer 1B_202/2017 vom 27.07.2017, Fünferbesetzung):

Der Gegenstand des Strafverfahrens bildende Sachverhalt ist einfach: der Beschwerdeführer soll unter Verwendung der Logindaten der Privatklägerin ohne Berechtigung Fr. 20’000.– vom Firmenkonto auf sein Privatkonto überwiesen und das Geld umgehend abgehoben haben. Als Informatiker und Geschäftsmann – die C. mbH wurde 2009 von der Privatklägerin in seinem Auftrag treuhänderisch gegründet – muss der Beschwerdeführer in der Lage sein, diesen Vorwurf zu verstehen und sich dagegen sachgerecht zur Wehr zu setzen. Dazu sind entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weder die Beherrschung der deutschen Sprache erforderlich noch vertiefte Kenntnisse des vom angelsächsischen stark abweichenden schweizerischen Rechtssystems, über die er als Brite nicht verfüge. Es sind jedenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass er nicht mithilfe eines Übersetzers in der Lage wäre, einer Einvernahme zu folgen und seinen Standpunkt sowohl im Straf- als auch im Zivilpunkt angemessen zu vertreten. Das ist, jedenfalls in einem Verfahren an der Bagatellfallgrenze, ausreichend, auch wenn die Privatklägerin anwaltlich vertreten ist, da die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, entlastende und belastende Umstände gleichermassen zu untersuchen (Urteil 1B_2019/2016 vom 1. September 2016 E. 2.4). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Privatklägerin im vorliegenden Fall durch den Beizug eines privaten Anwalts einen erheblichen Vorteil verschafft hat, der erheischen würde, dem Beschuldigten zur Wahrung der Waffengleichheit einen amtlichen Verteidiger zu bestellen. Das Obergericht hat kein Bundesrecht verletzt, indem es die Weigerung der Staatsanwaltschaft schützte, dem Beschwerdeführer einen amtlichen Verteidiger zu bestellen. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet (E. 2.2, Hervorhebungen durch mich).

Wieso denn überhaupt eine Verteidigung? Art. 6 Abs. 2 StPO gilt doch immer, ob Bagatelle oder Kapitalverbrechen. Und Geschädigtenvertreter braucht es eigentlich auch nicht, denn sie verschaffen ihrer Klientschaft keinen erheblichen Vorteil (in diesem Punkt schliesse ich mich dem Bundesgericht allerdings an).