Die Halterin ist der Lenker

In Fünferbesetzung entscheidet sich das Bundesgericht für die Bestrafung der Halterin eines Fahrzeuges, welche nachweislich nicht die verantwortliche Lenkerin war (BGer 6B_432/2017 vom 22.11.2017, Fünferbesetzung):

2.1. Nach der Vorinstanz ist der Sachverhalt unbestritten und hat die Beschwerdeführerin selbst nicht als Lenkerin in den beanzeigten Fällen zu gelten. Die Erstinstanz habe zutreffend erwogen, es komme auf die im Fahrzeugausweis eingetragene Person an (…).
Die Beschwerdeführerin beharrt vor Bundesgericht auf ihrer Ansicht zur Haltereigenschaft gemäss Art. 78 Abs. 1 VZV und stützt sich dazu u.a. auf BGE 129 III 102 E. 2.1 und das dort zitierte Lehrwerk OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Besonderer Teil, II/2, 4. Aufl., Zürich 1989, § 25 Rz. 71. Diese Belege betreffen die Haftung des Motorfahrzeughalters im Sinne von Art. 58, 59 SVG.
2.2. Die Haltereigenschaft bestimmt sich in casu gemäss Art. 6 des Ordnungsbussengesetzes (OBG; SR 741.03). Die Bestimmung ist seit dem 1. Januar 2014 in Kraft und damit in der Sache anwendbar.
Ist nicht bekannt, wer die Widerhandlung begangen hat, so wird die Busse dem im Fahrzeugausweis eingetragenen Fahrzeughalter auferlegt (Art. 6 Abs. 1 OBG). Nennt der Halter Name und Adresse des Fahrzeugführers, der zum Zeitpunkt der Widerhandlung das Fahrzeug geführt hat, so wird gegen diesen das Verfahren eingeleitet (Art. 6 Abs. 4 OBG). Kann mit verhältnismässigem Aufwand nicht festgestellt werden, wer der Fahrzeugführer ist, so ist die Busse vom Halter zu bezahlen, es sei denn, er macht im ordentlichen Strafverfahren glaubhaft, dass das Fahrzeug gegen seinen Willen benutzt wurde und er dies trotz entsprechender Sorgfalt nicht verhindern konnte (Art. 6 Abs. 5 OBG).
In der Botschaft vom 20. Oktober 2010 zu Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr (BBl 2010 8447 ff.) wird klar gestellt, dass es nicht – wie im Haftpflichtrecht – auf die materielle Eigenschaft des Halters ankommt, sondern auf die formelle der im Fahrzeugausweis eingetragenen Person (BBl 2010 8517; Urteil 6B_1007/2016 vom 10. Mai 2017 E. 1.4). Bei den Angaben des Halters nach Art. 6 Abs. 4 OBG darf es sich nicht um eine wenig plausible Information handeln. Name und Adresse des Fahrzeugführers müssen vollständig sein. Es müssen genügend Angaben zur Identität des Fahrzeugführers gemacht werden, so dass dieser individualisierbar ist (BBl 2010 8487; Urteil 6B_1007/2016 vom 10. Mai 2017 E. 1.5).

Wäre Ordnungsbussenrecht Strafrecht und wäre das Bundesgericht ein Verfassungsgericht, wäre das Urteil falsch. Das war offenbar nicht allen Bundesrichtern klar.