Entsiegelung von Anwaltsakten

Manchmal sind die Sachverhalte derart kompliziert, dass man das darauf angewendete Recht gar nicht mehr nach vollziehen kann. Aus einen neuen Urteil des Bundesgerichts ist für das Entsiegelungsverfahren und den Schutz des Anwaltsgeheimnis aber wohl nichts Neues abzuleiten (BGer 1B_48/2017 vom 24.07.2017).

Bemerkenswert ist allenfalls eine Ergänzung zu BGE 138 IV 225:

Im Übrigen könnten untersuchungsrelevante Akten eines in der Sache selber mitbeschuldigten Anwalts auch nicht der Beschlagnahme entzogen werden, indem der beschuldigte Anwalt Bürokollegen oder Korrespondenzanwälte in das Mandat einbindet, Akten mit ihnen austauscht oder das Mandat gänzlich an sie substituiert. Solches wäre mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes (Art. 264 Abs. 1 lit. c und lit. d StPO) nicht vereinbar (BGE 138 IV 225 E. 6.3 S. 228). Anders zu entscheiden wäre nach der bundesgerichtlichen Praxis bei unabhängigen (originären) Mandatsverhältnissen der Beschwerdeführerin 1 mit nicht beschuldigten Anwälten bzw. in nicht untersuchungsrelevanten Sachbereichen. Dass solche Mandate von der Entsiegelung betroffen wären, wird von ihr nicht nachvollziehbar dargetan.
Zwar ist der Beschwerdeführerin 1 darin zuzustimmen, dass hier nicht die völlig identische Konstellation vorliegt wie in BGE 138 IV 225. Die ratio decidendi des Leitentscheides ist auf den vorliegenden Fall jedoch durchaus anwendbar. Die gesetzlichen Beschlagnahmeregeln zulasten von beschuldigten Anwälten können nicht dadurch ausgehebelt werden, dass Anwälte die Akten untereinander austauschen (bzw. Mandate teilen) und die beteiligten Anwälte oder ihre Mandanten in der Folge das Anwaltsgeheimnis der nicht beschuldigten Anwälte als Beschlagnahmehindernis anrufen. Auch E-Mails mit “CC” an andere Anwälte ermöglichen keine pauschale gegenseitige Absicherung gegen die einschlägigen Bestimmungen von Art. 264 Abs. 1 lit. c und lit. d StPO. Offensichtlich unrichtige tatsächliche Feststellungen des Obergerichtes sind in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich (vgl. Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG) [E. 7.6, Hervorhebungen durch mich].