Keine amtliche Verteidigung im Beschwerdeverfahren?

Das Bundesstrafgericht verweigert einem amtlich verteidigten Beschuldigten das Recht, im Rahmen der amtlichen Verteidigung auch Beschwerde führen zu können (BStGer BH.2017.11 vom 06.12.2017).

Dies gelte sogar für Haftbeschwerden und damit in Fällen von notwendiger Verteidigung, was nicht richtig sein kann und den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf wirksame Verteidigung ohne gesetzliche Grundlage unterläuft (vgl. meinen früheren Beitrag). Das Bundesstrafgericht bleibt aber bei seiner Rechtsprechung und stützt sich dabei auf Ruckstuhl, der in diesem einen Punkt ausnahmsweise einmal irren dürfte:

8.2 Über die Gewährung des Rechts auf unentgeltliche Rechtspflege im vor ihr geführten Beschwerdeverfahren entscheidet die Beschwerdekammer selbst. Eine in der Strafuntersuchung eingesetzte amtliche Verteidigung wirkt im Haftbeschwerdeverfahren – jedenfalls wenn die beschuldigte Person beschwerdeführende Partei ist – nicht automatisch als unentgeltlicher Rechtsbeistand mit und zwar auch dann nicht, wenn die beschuldigte Person im Hauptverfahren notwendig verteidigt werden muss (Urteil des Bundesgerichts 1B_705/2011 vom 9. Mai 2012, E. 2.3.2 m.w.H.; Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.10 vom 23. Juli 2014, E. 7.2; Ruckstuhl, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 130 StPO N. 10).

8.3 Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für die beschuldigte Person im Strafverfahren konkretisiert Art. 132 StPO, welche Bestimmung im Rechtsmittelverfahren sinngemäss Anwendung findet (Art. 379 StPO; vgl. zuletzt u.a. Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BB.2017.85 vom 13. Juli 2017, E. 8.1; BH.2017.3 vom 11. Mai 2017, E. 6.2 m.w.H.). Im Gegensatz zur unentgeltlichen Rechtspflege für die Privatklägerschaft, die auch die Befreiung von den Verfahrenskosten umfasst (Art. 136 Abs. 2 lit. b StPO), beschränkt sich jene für die beschuldigte Person auf die Beiordnung einer amtlichen Verteidigung (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO; Urteil des Bundesgerichts 6B_758/2013 vom 11. November 2013, E. 3.2; Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2017.85 vom 13. Juli 2017, E. 8.1 m.w.H.). Ein Anspruch der beschuldigten Person auf Befreiung von den Verfahrenskosten ergibt sich indes direkt aus Art. 29 Abs. 3 BV, welche verfassungsrechtliche Minimalgarantie neben der StPO Anwendung findet (Urteil des Bundesgerichts 6B_1144/2016 vom 15. Juni 2017, E. 1.3 m.w.H.). Dabei hält das Bundesgericht auch nach Inkrafttreten der StPO grundsätzlich daran fest, dass die unentgeltliche Rechtspflege bei Haftbeschwerden (und anderen strafprozessualen Nebenverfahren), mithin auch die unentgeltliche Verbeiständung, von der Nichtaussichtslosigkeit des konkret verfolgten Prozessziels abhängig gemacht werden kann (Urteile des Bundesgerichts 1B_705/2011 vom 9. Mai 2012, E. 2.3.2; 1B_732/2011 vom 19. Januar 2012, E. 7.2; vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_616/2016 vom 27. Februar 2017, E. 4.4, nicht publiziert in BGE 143 IV 122; Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BB.2017.85 vom 13. Juli 2017, E. 8.1; BH.2017.3 vom 11. Mai 2017, E. 6.2; je m.w.H.).

Als aussichtslos sind Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie – zumindest vorläufig – nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (BGE 142 III 138 E. 5.1 m.w.H.; vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1144/2016 vom 15. Juni 2017, E. 1.4).