Konsequenzen aus der Verletzung der Teilnahmerechte

In einem neuen, zur Publikation in der AS vorgesehenen Urteil stellt das Bundesgericht klar, dass Einvernahmen unter Verletzung der Teilnahmerechte auch dann unverwertbar bleiben, wenn der Mangel durch Wiederholung der Einvernahme korrigiert wird (BGE 6B_129/2017 vom 16.11.2017).

Der Entscheid macht hoffentlich der Praxis endlich ein Ende, welche die ursprüngliche Unverwertbarkeit einer Einvernahme durch Wiederholung heilen wollte:

Die Durchführung einer Einvernahme ohne Teilnahme des Beschuldigten steht einer Wiederholung der Beweiserhebung grundsätzlich nicht entgegen. Wird aber die Einvernahme wiederholt oder wird – wie im vorliegenden Verfahren – zu einem späteren Zeitpunkt eine Konfrontationseinvernahme durchgeführt, darf die Strafbehörde nicht auf die Ergebnisse der vorausgegangenen Einvernahmen zurückgreifen, soweit diese einem Beweisverbot unterliegen. Art. 147 Abs. 4 StPO hält klar fest, dass Beweise, die unter Verletzung des Teilnahmerechts erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwertet werden dürfen, die nicht anwesend war. Und ebenso deutlich sieht Art. 141 Abs. 1 StPO vor, dass Beweise in keinem Fall verwertbar sind, wenn die Strafprozessordnung einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. Aufzeichnungen über unverwertbare Beweise sind denn auch nach Art. 141 Abs. 5 StPO aus den Strafakten zu entfernen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss zu halten und danach zu vernichten.

Sind Beweise in keinem Fall verwertbar und aus den Strafakten zu entfernen, hat dies auch Konsequenzen für die weitere Untersuchungsführung. Die aus unverwertbaren Einvernahmen erlangten Erkenntnisse dürfen weder für die Vorbereitung noch für die Durchführung erneuter Beweiserhebungen verwendet werden. Genau dies ist indessen vorliegend geschehen. In den später durchgeführten Konfrontationseinvernahmen wurden die Mitbeschuldigten oder Belastungszeugen nicht mehr aufgefordert, sich zum Gegenstand der Einvernahme zu äussern (vgl. Art. 143 Abs. 4 StPO), und sie wurden auch nicht mehr zur Sache befragt. Vielmehr beschränkte sich die einvernehmende Strafbehörde weitgehend darauf, aus den vorausgegangenen, nicht verwertbaren Befragungen längere Passagen in Anführungszeichen wortwörtlich wiederzugeben, worauf sich dann die einvernommenen Personen in aller Regel mit der Antwort begnügten, das stimme so, es sei damals korrekt protokolliert worden oder sie habe nichts mehr zu ergänzen (E. 1.6.2).

Die Lorbeeren gehörten eigentlich dem Anwalt des Beschwerdeführers, der diesen wichtigen Entscheid erwirkt hat. Der Anwalt wurde aber – gemäss Bundesgericht ohne Verletzung von Bundesrecht – über eine massive Honorarkürzung abgestraft (BGer 6B_75/2017 vom 16.11.2017). Ob das die richtigen Anreize für eine wirksame Verteidigung im nun zu wiederholenden Berufungsverfahren schafft?