Manipulierte Einvernahmeprotokolle

Spannender als Lausanne ist heute wieder einmal Solothurn. wo ein Gerichtspräsident Befragungsprotokolle aus den Akten entfernte, nachdem sich herausstellte, dass der Beschuldigte ohne Anwalt und ohne Dolmetscher einvernommen wurde und das entsprechende Protokoll als selbst gelesen und verstanden unterzeichnete, obwohl er weder lesen kann noch deutsch versteht.

Gemäss Solothurner Zeitung begründete der Gerichtspräident seinen Entscheid wie folgt:

«Die Sätze in den Protokollen sind so perfekt formuliert, dass der Angeklagte diese gar nicht so gesagt haben kann.»

Dazu die Solothurner Zeitung:

Diese Einvernahmen wurden manipuliert, dem Angeklagten Roma wurden Aussagen in den Mund gelegt, die dieser so nicht gemacht haben kann – weil er Analphabet ist und ganz einfach nicht genügend Deutsch spricht.

Was der Journalist nicht weiss und manche Gerichte nicht wissen wollen: Dabei handelt es sich nicht etwa um eine seltene Ausnahme. Einvernahmeprotokolle sind schlicht und ergreifend unzuverlässige und damit untaugliche Beweismittel. Sie sind die Hauptquelle zahlreicher Fehlurteile (ja, es gibt sowas in der Schweiz). Sie geben nie in der erforderlichen Schärfe wider, was ausgesagt wurde. Im besten Fall kann man behaupten, sie seien des Ergebnis einer Verhandlung darüber, wie etwas protokolliert werden soll.

Das Problem wäre ganz einfach lösbar, aber die Strafbehörden wollen es nicht lösen und wehren sich – wieso wohl? – gegen audio-visuelle Aufzeichnungen der Einvernahmen. Man sollte sich vielleicht wieder einmal fragen, wieso es – ausgerechnet – die Verteidiger sind, welche sich für audio-visuelle Aufzeichnungen stark machen.