Mehrere Beschuldigte, ein Angeklagter?

In einem Nichteintretensentscheid weist das Bundesgericht auf den wichtigen Grundsatz der Verfahrenseinheit (Art. 29 Abs. 1 lit a StPO) hin, der  in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden oft übersehen oder einfach übergangen wird (BGer 6B_535/2017 und 6B_599/2017, beide vom 19.09.2017).

Die Verteidigung ist in solchen Fällen schwierig. Im vorliegenden Fall hat sie sich u.a. mit der Beschwerde gegen ein informelles Schreiben der Staatsanwaltschaft beholfen, vielleicht am Ende sogar mit Erfolg. Hier die Erwägung des Bundesgerichts, welche die Strafverfolger trotz Nichteintretens wohl nicht aus ihrer Verantwortung entlässt:

Im Hinblick auf den bisherigen Verfahrensverlauf und das Prozessverhalten der Parteien ist darauf hinzuweisen, dass das unter der Verfahrensnummer ST.2015.7096 gegen Unbekannt eröffnete Strafverfahren entgegen der (ursprünglichen) Ansicht der Staatsanwaltschaft und der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid vom 13. März 2017 (faktisch) nicht nur gegen X., sondern auch gegen Z. und Y. geführt wurde. Alle drei wurden im Verfahren ST.2015.7096 als beschuldigte Personen einvernommen. 

Der Grundsatz der Verfahrenseinheit schreibt vor, dass Straftaten im Falle von Mittäterschaft oder Teilnahme gemeinsam verfolgt werden (Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO; vgl. auch Art. 33 StPO; BGE 138 IV 214 E. 3.2, 29 E. 3.2). Ist unklar, welcher Beschuldigte welchen Tatbeitrag geleistet hat, ist eine Verfahrenstrennung äusserst problematisch, da in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung, die rechtliche Würdigung und/oder die Strafzumessung die Gefahr sich widersprechender Entscheide besteht und die getrennte Führung von Strafverfahren gegen mutmassliche Mittäter und Teilnehmer (Gehilfen oder Anstifter) schwerwiegende prozessuale Einschränkungen der gesetzlich gewährleisteten Parteirechte nach sich zieht. Auch eine unterschiedliche Verfahrenserledigung ist in Fällen von Mittäterschaft und Teilnahme nur in Ausnahmefällen zulässig (vgl. Urteile 1B_467/2016 vom 16. Mai 2017 E. 3.2; 6B_1030/2015 vom 13. Januar 2017 E. 2.3.1) [E. 4, Hervorhebungen durch mich].
Die Staatsanwaltschaft beschränkt mit einer solchen Praxis das Beweisthema in unzulässiger Weise und zwingt den Richter zudem faktisch, den (einzigen) Angeklagten zu verurteilen. Das ist insbesondere dann fatal, wenn das Delikt selbst erwiesen ist und wenn zudem klar ist, dass einer von mehreren identifizierten Beteiligten der Täter sein muss. Die Missachtung des Grundsatzes der Verfahrenseinheit ist nach meiner persönlichen  Beurteilung einer der wichtigsten Gründe für Fehlurteile.