Novartis c. Kessler

Das Obergericht des Kantons Zürich hatte Erwin Kessler teilweise vom Vorwurf der Ehrverletzung gegenüber Novartis AG und Daniel Vasella freigesprochen. Den Freispruch wollten die Verletzten beim Bundesgericht anfechten. Das Bundesgericht liess die einzige wirklich spannende Frage des Eintretens offen, weil ihm die Beschwerde ohnehin als unbegründet erschien (BGer 6B_412/2012 vom 25. April 2013):

Die Beschwerdeführer legen nicht dar, inwieweit sie als Privatkläger zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert sind. Namentlich ist unklar, worin ihr rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG besteht. Es ist fraglich, ob die unter dem früheren Recht geltende Legitimation des Geschädigten (zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde) bei Delikten gegen die Ehre (BGE 121 IV 76) nach dem am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Bundesgerichtsgesetz (BGG) weiterhin massgebend sein kann. Die Frage kann jedoch angesichts des Ausgangs des Verfahrens offenbleiben (E. 3.2).

In der materiellen Begründung bezieht sich das Bundesgericht nicht auf die möglicherweise ehrenrührige Äusserung, sondern auf den Sinn, der sich aus dem Text als Ganzes ergibt:

Der Beschwerdegegner ist als Präsident des VgT über Tierschutzkreise hinaus einer breiten Leserschaft als engagierter Tierschützer bekannt. Wenn er die Tierversuche und die Tötung der Tiere im nicht juristischen Sinne als “Massenverbrechen” bezeichnet, so ist dies mit der Vorinstanz sehr provokativ und pointiert. Massgeblich für die Wertung der Äusserung ist jedoch der Sinn, der sich aus dem Text als Ganzes ergibt. Im Fokus der Kritik bleiben für einen durchschnittlichen Leser die legale Durchführung von Tierversuchen durch die Industrie respektive im Auftrag der Beschwerdeführer und damit letztendlich die Tierschutzgesetzgebung und deren Vollzug. Die Bezeichnung “Massenverbrechen” ist vor diesem Hintergrund sowie unter Berücksichtigung der Thematik und des allgemeinen Sprachgebrauchs in massgeblicher Weise zu relativieren. Eine exzessive Äusserung, die unter Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art. 16 BV und Art. 10 EMRK nicht mehr zulässig wäre, liegt nicht vor. Deshalb kann offenbleiben, ob die vom Beschwerdegegner geäusserte Kritik nicht nur die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, sondern auch dessen Geltung als ehrbarer Mensch betrifft. Der Freispruch vom Vorwurf der Verleumdung verletzt kein Bundesrecht (E. 3.6.3).

Dass die Beschwerde von Kessler unter diesen Umständen gutzuheissen war, ist nur konsequent. Der Vergleich mit dem Nationalsozialismus war absonderlich übertrieben, damit grotesk und somit wohl erlaubt:

Dazu zieht der Beschwerdeführer den Nationalsozialismus heran. Diesen Vergleich bezeichnet er selbst als krass. Die Parallele fällt jedoch nicht nur extrem aus, sondern ist absonderlich übertrieben und damit grotesk. Sie ist jedoch gegen Professor A. gerichtet. Die Frage, ob dieser mit seiner Haltung “nicht zutiefst die Hitler-Attentäter” beleidige, kann von einem unvoreingenommenen Leser ebenfalls nur im rhetorischen Sinne verstanden werden. Mithin behauptet der Beschwerdeführer, Professor A. beleidige die Hitlerattentäter. Nicht nur gestützt auf die inkriminierte Äusserung, sondern auch aus weiteren Textstellen geht hervor, dass der Beschwerdeführer die Haltung des Professors missbilligt (vgl. etwa “engstirnige politische Korrektheit”, “Tja, Herr Professor, etwas mehr denken würde nicht schaden” und den Hinweis auf dessen deutsche Nationalität). Dass dieser Vorwurf eine Sympathie im Sinne einer gewissen Nähe des Professors zum nationalsozialistischen Regime impliziert, ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Darauf muss jedoch nicht näher eingegangen werden (E. 4.3).

Im Kostenpunkt bedeutet das folgendes:

Die Parteien werden im Umfang ihres Unterliegens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Daniel Vasella und der Novartis AG sind die Gerichtskosten im Umfang von Fr. 6’700.– je zur Hälfte und unter solidarischer Haftung aufzuerlegen. Erwin Kessler hat Gerichtskosten von Fr. 1’300.– zu tragen. Daniel Vasella und die Novartis AG haben Erwin Kessler für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Entschädigung von je Fr. 1’000.– unter solidarischer Haftung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).