Strafzumessung bei Notwehrexzess

Das Obergericht des Kantons Zürich hat bei der Strafzumessung im Falle eines festgestellten Notwehrexzesses gleich mehrfach gegen Bundesrecht verstossen.

Zu diesem Ergebnis kommt das Bundesgericht, das in einer Erwägung präzise darlegt, wie ein Exzess bei der Strafzumessung zu behandeln ist (BGer 6B_910/2016 vom 22.06.2017) :

Nicht gefolgt werden kann der Vorinstanz hinsichtlich der Begründung und Gewichtung des von ihr angenommenen Notwehrexzesses im Rahmen der Strafzumessung. Sie führt nicht aus, (ob und) in welchem Umfang das Notwehrrecht des Beschwerdeführers infolge seines vorgängigen rechtswidrigen Angriffs auf die beiden Geschädigten im ersten Handlungskomplex eingeschränkt ist. Die Vorinstanz verkennt, dass es bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verteidigung nicht auf die beim Angreifer eingetretene Rechtsgutverletzung oder Gefährdung abzustellen ist, sondern auf die Notwendigkeit der Verteidigungshandlung. Entscheidend ist, ob ein sorgfältig beobachtender Verteidiger das vom Beschwerdeführer an den Tag gelegte Verteidigungsverhalten aufgrund des konkreten Tatgeschehens für erforderlich gehalten hätte. Erforderlich ist diejenige Verteidigung, die aufgrund eines objektiven ex ante-Urteils geeignet erscheint, den Angriff endgültig zu beenden und unter gleich geeigneten Mitteln dasjenige darstellt, das den Angreifer am wenigsten schädigt. Das Notwehrrecht gibt nicht nur das Recht, mit gleichen Mitteln abzuwehren, mit denen der Angriff erfolgt, sondern mit solchen, die eine effektive Abwehr ermöglichen. Das bedeutet, dass der Verteidiger von Anfang an die voraussichtlich wirksamen Mittel einsetzen darf (BGE 136 IV 49 E. 4.2; Urteil 6B_632/2012 vom 30. Mai 2013 E. 3.5; je mit Hinweisen). Das im Merkmal der “angemessenen Weise” zum Ausdruck kommende Übermassverbot erfordert kein Überwiegen des geschützten Rechtsguts. Hingegen darf das beeinträchtigte Rechtsgut das geschützte Interesse nicht unverhältnismässig überwiegen (KURT SEELMANN, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl. 2013, N. 11 – 13 zu Art. 15 StGB). Im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit der Verteidigung stellt es eine (negative) Missbrauchskontrolle dar, verlangt jedoch weder eine strenge Güterproportionalität zwischen den Rechtsgütern des Angegriffenen und des Angreifers noch Schadensproportionalität. Je grösser der durch den Angriff drohende Rechtsgutseingriff respektive Schaden ist, desto geringer sind die Beschränkungen des Notwehrrechts. Schwerwiegende Rechtsguteinbussen muss auch der die Notwehrlage (vorsätzlich) Provozierende nicht hinnehmen (E. 4.2.2, Hervorhebungen durch mich).

Dieser Entscheid müsste eigentlich in der AS publiziert werden, was aber nicht vorgesehen ist. Eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Notwehrexzess habe ich in einem Bundesgerichtsentscheid noch nie gefunden.