Unmittelbarkeit neu definiert

Das Bundesgericht hatte folgenden Sachverhalt im Lichte der Grundsätze der Unmittelbarkeit und der Konzentration zu prüfen (BGer 6B_499/2017 vom 06.11.2017):

Es ist unbestritten, dass die Vorinstanz im Anschluss an die Berufungsverhandlung vom 14./15. Juli 2016, für welche die vorgenannten Vorschriften ebenfalls gelten (Art. 379 StPO), nicht sogleich ein Urteil fällte. Dieses wurde erst am 22. Februar 2017 im Rahmen einer neuen Beratung gefällt und ging dem Beschwerdeführer am 27. Februar 2017 im Dispositiv zu. Zehn Tage später erhielt er das auf 74 Seiten begründete Urteil. Ihm ist zuzustimmen, dass die Zeitdauer von gut sieben Monaten zwischen der Berufungsverhandlung und der Urteilsfällung sehr lange ist /(E. 1.3).

Das Bundesgericht sieht darin kein Problem, zumal die Vorinstanz die Verzögerung plausibel erklären konnte (Führung des Verfahrens durch einen abteilungsfremden (Zivil-)richter, ausserordentlich schwerwiegende Delikte). Dass die Urteilsberatung dann aber doch – mit Verlaub – lächerlich kurz war, änderte daran nichts. Den Widerspruch ortet das Bundesgericht nicht bei der Vorinstanz, sondern vielmehr beim Beschwerdeführer:

Die Vorinstanz legt nachvollziehbar dar, dass sich sämtliche Mitglieder des Gerichts, welche an der Berufungsverhandlung teilgenommen hatten, eingehend auf die Beratung vorbereiten konnten. Diese dauerte drei Stunden, was angesichts der den Gerichtsmitgliedern bekannten Akten, der Vorbereitungszeit und des vorab zirkulierten Referats ohne Weiteres einen ausführlichen Diskurs erlaubte. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass die Urteilsberatung unter den genannten Umständen trotz der Komplexität und des Umfangs des Falles keineswegs mehr als einen Tag beanspruchen musste. Vielmehr war es gerade der Sinn des schriftlichen Referats, die Beratung zu vereinfachen und zu strukturieren, damit diese auf dessen Basis möglichst zügig erfolgen konnte. Dieses Vorgehen war nutzbringender, als wenn das Gericht allein aufgrund der Akten sowie der darauf basierenden Meinungen nach der Berufungsverhandlung eilends entschieden und die Begründung dem Gerichtsschreiber überlassen hätte. Dies sah offensichtlich auch der Beschwerdeführer so, liess er doch in der Berufungsverhandlung erklären, er sei mit der schriftlichen Urteilseröffnung einverstanden, weil er es begrüsse, dass sich das Gericht wirklich genug Zeit nehme. Wenn er nun dieses ausdrücklich gutgeheissene Verhalten rügt, erscheint dies widersprüchlich (E. 1.3.3).

Die Rügen zur nicht wirksamen Verteidigung – der damalige Verteidiger hatte ein Geständnis empfohlen – schmettert das Bundesgericht ebenfalls ab. Seine Erwägungen dazu leuchten eigentlich ein:

Es kann auch nicht gesagt werden, diese Strategie sei die einzige richtige, zumal dem Verteidiger in der Prozessführung praxisgemäss ein erhebliches Ermessen zuzugestehen ist. So kann es durchaus angezeigt sein, die Verteidigungsstrategie darauf auszurichten, die beschuldigte Person “in einem besseren Licht erscheinen zu lassen”, namentlich ein Geständnis abzulegen, statt sich in einer Fundamentalopposition einzurichten. Auch, dass der Verteidiger in der Einvernahme keine Ergänzungsfragen stellte, lässt nicht auf eklatante Inkompetenz in der Interessenvertretung schliessen, da dies ebenfalls aus verteidigungstaktischen Gründen geschehen kann. Ebensowenig indiziert eine Verurteilung eine unwirksame Verteidigung (Urteil 6B_307/2016 vom 17. Juni 2016 E. 2.3.4 mit Hinweisen) [E. 2.3.1].

Ob das im konkreten Fall zutrifft, hängt aber von der damaligen Beweislage ab, die wir nicht kennen.

Je länger ich über solche Fragen nachdenke umso klarer wird, dass Geständnisse verboten werden müssten. Sie produzieren unlösbare Fragen und v.a. Fehlurteile.