Unnötiges Entsiegelungsgesuch?

Ein Zwangsmassnahmengericht hat es sich besonders einfach machen wollen und ist auf ein Entsiegelungsgesuch der Bundesanwaltschaft gar nicht erst eingetreten mit der Begründung, die Siegelung sei gar nicht rechtswirksam beantragt worden, weshalb die versiegelten Unterlagen durchsucht werden könnten.

Das Bundesgericht hebt den Entscheid mit überzeugender Begründung als bundesrechtswidrig auf (BGer 1B_219/2017 vom 23.08.2017). Seine Darstellung des Sachverhalts wirft kein gutes Licht auf das Vorgehen der Strafverfolger:

Die BA und das ZMG bestreiten die Darstellung des Beschwerdeführers nicht, dass die BA schon anlässlich seiner Anhaltung und Festnahme am frühen Morgen des 11. Mai 2017 persönliche Effekten sichergestellt habe, die er auf sich trug. Diese Gegenstände habe die BA in einen Asservaten-Container gelegt, den sie (von Amtes wegen) doppelt versiegelt habe. Der amtliche Verteidiger sei damals noch nicht anwesend gewesen; ebenso wenig sei dieser von der BA über die erfolgte Sicherstellung und Siegelung von persönlichen Effekten informiert worden. Er, der Beschwerdeführer selber, sei bei seiner Festnahme auch nicht in einer für ihn verständlichen Weise über das Siegelungsrecht aufgeklärt worden.
Erst zur anschliessend (am Vormittag des 11. Mai 2017) erfolgten Hausdurchsuchung und Sicherstellung am damaligen Wohnort des Beschwerdeführers sei der amtliche Verteidiger von der BA beigezogen worden. Die dabei sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände habe die BA in einen zweiten Asservaten-Container verpackt und – auf entsprechenden sofortigen Antrag des amtlichen Verteidigers hin -ebenfalls doppelt versiegelt. Er, der Beschwerdeführer, sei zuvor am frühen Morgen festgenommen und anschliessend in Untersuchungshaft versetzt worden, weshalb er an der anschliessenden Hausdurchsuchung nicht mehr habe teilnehmen können. In diesem Zeitpunkt habe auch der amtliche Verteidiger noch keinerlei Kontakt mit ihm gehabt. In dieser Situation sei weder eine Aufklärung des Beschwerdeführers über sein Siegelungsrecht erfolgt, noch eine Instruktion seines amtlichen Verteidigers über allfällige Beschlagnahmehindernisse bzw. Geheimnisschutzgründe. Auch über die zuvor erfolgte Sicherstellung und Siegelung von persönlichen Effekten sei der Verteidiger damals noch nicht unterrichtet gewesen.
Am Nachmittag des 11. Mai 2017 habe er erstmals mit seinem Verteidiger sprechen dürfen. Die Zürcher Kantonspolizei habe ihnen in der Militärkaserne aber lediglich ca. eine halbe Stunde für eine Besprechung zugestanden. Ausserdem sei die Verständigung sehr schwierig gewesen, weil er kaum Deutsch spreche und auch kein Dolmetscher zur Verfügung gestanden habe. Vor der Hafteinvernahme am 12. Mai 2017 habe er sich mit dem Verteidiger während fünf Minuten besprechen können. Auch bei dieser Besprechung sei noch kein Dolmetscher anwesend gewesen.
Weiter sei nach der Hausdurchsuchung vom 11. Mai 2017 auch noch die Durchsuchung eines von ihm benutzten Personenwagens erfolgt. Die dabei sichergestellten weiteren Aufzeichnungen und Gegenstände habe die BA in einen dritten Asservaten-Container verpackt und (von Amtes wegen) ebenfalls doppelt versiegelt. Davon hätten er und sein Verteidiger erst nach Erlass des angefochtenen Entscheides erfahren. Anlässlich der (zuvor erfolgten) Hausdurchsuchung sei dem Verteidiger noch mitgeteilt worden, es stünden keine weiteren Untersuchungshandlungen an, welche seine Anwesenheit erfordern würden.
Am 17. Mai 2017 habe der amtliche Verteidiger einen Dolmetscher organisiert und eine Besuchsbewilligung beantragt. Das erste Instruktionsgespräch zwischen dem Beschuldigten, dem Verteidiger und dem Dolmetscher habe am 24. Mai 2017 im Regionalgefängnis Thun stattgefunden, somit zwei Tage nach Erlass des angefochtenen Entscheides. Frühestens ab diesem Zeitpunkt sei es für den Beschuldigten und den Verteidiger überhaupt möglich gewesen, das gestellte Siegelungsgesuch, soweit nötig, noch ausführlich zu begründen. Von der Sicherstellung und behördlichen Siegelung von persönlichen Effekten bzw. von Gegenständen im Fahrzeug hätten sie erst aufgrund ihres Akteneinsichtsgesuches vom 24. Mai 2017 erfahren. Über das (ohne ihre Beteiligung durchgeführte) Entsiegelungsverfahren seien sie ebenfalls erst nachträglich informiert worden (E. 3.7).