update: grob unanständiges Nacktwandern

Das Bundesgericht hat zu seinem Nacktwanderer-Entscheid eine Pressemitteilung erlassen, welche die Überlegungen der Bundesrichter skizziert. Hier ein paar Auszüge:

Das Nacktwandern im öffentlichen Raum ist als solches nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch nicht strafbar. Die Kantone können jedoch in ihrem Übertretungsstrafrecht derartige Verhaltensweisen unter Strafe stellen, um Polizeigüter wie Sitte und Anstand zu wahren.

Dem kann man wohl ohne Weiteres zustimmen. Politisch fragwürdig ist die heute noch bestehende Gesetzgebungskompetenz im Bereich des materiellen Strafrechts aber allemal.

Nach Art. 19 des Gesetzes über das Strafrecht des Kantons Appenzell Ausserrhoden wird mit Busse bestraft, wer öffentlich Sitte und Anstand grob verletzt. Gemäss Bundesgericht ist diese Strafnorm hinreichend bestimmt und umfasst unter anderem auch das Nacktwandern, da dieses die Frage von Sitte und Anstand berührt. Es ist nicht willkürlich, das Nacktwandern im öffentlichen Raum als grobe Verletzung von Sitte und Anstand zu würdigen.

Willkürkognition? Bezieht sich diese auf die Bestimmheit der Strafnorm (nulla poena) oder auf die rechtliche Würdigung des Sachverhalts (grob unanständiges Nacktwandern)? Der Dissens der Richter(in?) dürfte wohl im Bereit des (Bestimmtheitsgebots) liegen. Schade, dass das Bundesgericht keine “dissenting opinions” publiziert.

Das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 Bundesverfassung) wird durch ein Verbot des Nacktwanderns im öffentlichen Raum, wenn überhaupt, höchstens geringfügig eingeschränkt. Eine solche Beeinträchtigung ist gerechtfertigt. Das Bundesgericht hat auch die weiteren Einwände des Verurteilten als unbegründet erachtet: Es lag kein Verbotsirrtum vor, d.h. der Verurteilte konnte sich nicht darauf berufen, er habe nicht um die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens gewusst. Die Tat war zudem auch nicht so geringfügig, dass sich ein Absehen von Strafe rechtfertigte.

Dem kann man wieder ohne Weiteres zustimmen. M.E. fällt das Verbot des Nacktwanderns (das es ja nun offenbar gibt) nicht in den Schutzbereich der persönlichen Freiheit. Den Schutzbereich von Grundrechten sollte man nicht ohne Not ausdehnen. Damit erreicht man höchstens, dass sie bagatellisiert und marginalisiert werden. Auf die schriftliche Urteilsbegründung darf man weiterhin gespannt sein.