Zustellung an Unbekannt?

Bundesverwaltungs- und Bundesgericht hatten sich mit den Zustellungsmodalitäten im Zusammenhang mit bewilligten Amtshilfeersuchen nach StAhiG zu befassen (insb. Gruppenersuchen; BGer 2C:54/2014 vom 02.06.2014, Fünferbesetzung). Das Bundesgericht umschreibt das Problem wie folgt:

Die Besonderheit von Gruppenersuchen liegt darin, dass bei ihnen die Namen und Adressen der vom Ersuchen betroffenen Gruppe von steuerpflichtigen Personen der ersuchenden Steuerbehörde nicht bekannt sind. Entsprechend gilt es bei der Kommunikation mit den beschwerdeberechtigten Personen zu vermeiden, dass die ausländische Steuerbehörde Kenntnis von erst noch zu übermittelnden Informationen erhalten könnte, würde doch ansonsten das im Steueramtshilfegesetz vorgeschriebene Verfahren teilweise umgangen (E. 3.2).

Zu lösen ist es wie folgt:

Bereits die geltende Ordnung der Art. 14 und 17 StAhiG lässt sich auf Gruppenersuchen anwenden, wobei darauf zu achten ist, dass die gesetzlichen Verfahrensabläufe nicht umgangen werden (vgl. soeben E. 3.2). So kann weder eine Zustimmung der ersuchenden Behörde eingeholt (Art. 14 Abs. 4 StAhiG) noch eine Zustellung auf dem Weg der ersuchenden Behörde vorgenommen werden (Art. 14 Abs. 5 StAhiG). Möglich ist dagegen das Ersuchen an die Informationsinhaberin nach Art. 14 Abs. 3 StAhiG. Es beruht auf der Erwartung, dass die Informationsinhaberin alles Notwendige unternimmt, um die beschwerdeberechtigte Person über ein laufendes Amtshilfeverfahren zu informieren. Diese hat ihrerseits dafür zu sorgen, dass sie benachrichtigt werden kann und trägt bei gegenteiliger Instruktion (Banklagernd-Vereinbarung) das Risiko der Nichtinformation (vgl. mit Bezug auf die Rechtshilfe in Strafsachen BGE 136 IV 16 E. 2.3 S. 18; 130 IV 43 E. 1.3 S. 46; 124 II 124 E. 2d S. 127 ff. u. E. 2e S. 131 u.a. mit Hinweis auf die Botschaft vom 29. März 1995 betreffend die Änderung des Rechtshilfegesetzes, BBl 1995 III 1, 32). Meldet sich die beschwerdeberechtigte Person nicht, so informiert die ESTV sie über das Bundesblatt (Art. 14 Abs. 5 StAhiG). Bei der amtlichen Publikation im Bundesblatt ist auf die Nennung von Namen zu verzichten, um den Gesetzeszweck nicht zu unterlaufen (Art. 14 und 5 StAhiG i.V.m. Art. 36 VwVG [SR 172.021]). Ein solcher Verzicht auf die Namensnennung drängt sich aus denselben Gründen bei der Eröffnung der Schlussverfügung auf, die – soweit keine zur Zustellung bevollmächtigte Person bezeichnet wurde – ebenfalls durch Veröffentlichung im Bundesblatt erfolgt (Art. 17 Abs. 3 StAhiG). Dies entspricht denn auch der Regelung, wie sie vom Gesetzgeber für das spezielle Verfahren bei Gruppenersuchen vorgesehen ist (Art. 14a Abs. 4 und 6 StAhiG, BBl 2014 2887) [E. 3.3].

Die EStV war nach altem Recht vorgegangen (Publikation als Ersatzvornahme) und hat eine Beschwerde der betroffenen Personen als verspätet zurückgewiesen. Das Bundesgericht kassiert den Entscheid, zumal die angefochtene Schlussverfügung noch gar nicht als eröffnet gelten konnte.

Spannend ist im Übrigen der Antrag der Rechtsvertreter, das Urteil sei auch in Bezug auf sie selbst zu anonymisieren. Dies begründeten sie damit, nach amerikanischem Recht (18 USC § 3506) müssten Beschwerdeführer bzw. deren Anwälte das Department of Justice der Vereinigten Staaten von Amerika darüber informieren, dass sie in der Schweiz eine Beschwerde im Widerspruch zu einem Rechtshilfeersuchen ergriffen hätten. Die Nichtbefolgung dieser Pflicht setze die Anwälte einer potenziellen Strafverfolgung aus.

Das Bundesgericht kommt diesem Antrag aber nicht nach:

Aus dem ins Recht gelegten Memorandum zu 18 USC § 3506 (abrufbar unter www.ejpd.admin.ch [Themen/Wirtschaft/Fall UBS]) geht hervor, dass die Verletzung der genannten Norm ohne gerichtlichen Beschluss (court order) nicht direkt sanktionsbewehrt ist. Auch ist gemäss Memorandum fraglich, ob überhaupt eine Meldepflicht besteht, wenn die amerikanische Steuerbehörde zuvor keine Kenntnis hatte, dass die betroffene Person über ein Konto in der Schweiz verfügt. Von dieser fehlenden Kenntnis kann bei Gruppenersuchen ausgegangen werden, ist doch die Identität der betroffenen Personen nach den Grundsätzen der internationalen Amts- und Rechtshilfe soweit möglich zu nennen (vgl. insb. Art. 6 Abs. 2 lit. a StAHiG; vgl. auch Art. 29 Ziff. 1 lit. c des Staatsvertrags vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen [SR 0.351.933.6]; ferner Art. 18 Abs. 1 lit. b des von der Schweiz unterzeichneten, aber noch nicht genehmigten OECD-/Europarats-Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen [Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters] und Rz. 167 des dazu gehörigen Kommentars, beide abrufbar unter www.oecd.org). Schliesslich zeigen die Beschwerdeführer bzw. deren Rechtsvertreter nicht auf, inwiefern das amerikanische Recht den Rechtsvertretern von Parteien in einem schweizerischen Amtshilfeverfahren irgendwelche eigenen Verpflichtungen auferlegen würde [E. 4.3].

Dafür spricht das Bundesgericht eine Parteientschädigung von CHF 5,000.00, was zeigt, wie bedeutend solche Verfahren etwa gegenüber Strafrechtsbeschwerden sind.