Aussichtslose Beschwerde? Von wegen!

Die Staatsanwaltschaft stellt das Strafverfahren ein, die Beschwerdeinstanz hebt die Einstellungsverfügung auf und das Bundesgericht heisst die dagegen erhobene Beschwerde gut mit dem Ergebnis, dass das Strafverfahren nun beendet ist. Das ist grob zusammengefassst der Sachverhalt, der einem neuen Bundesgerichtsentscheid zugrunde liegt, den es nach meinem bisherigen Verständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichts gar nicht geben darf (BGer 6B_182/2020 vom 06.01.2021).

Ich hätte der Klientschaft von einer Beschwerde dringend abgeraten, weil das Bundesgericht darauf nicht eintreten werde. Alles falsch, sagt das Bundesgericht in seiner ausserordentlich langen Erwägung 1 (Hervorhebungen durch mich):

1.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht abschliesst, sondern im Gegenteil dessen Fortführung bewirkt. Selbstständig eröffnete Zwischenentscheide sind nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93 BGG beim Bundesgericht anfechtbar. Da der Entscheid weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft (vgl. Art. 92 BGG), ist er nur anfechtbar, falls er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte (Art. 93Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93Abs. 1 lit. b BGG).   In der Beschwerde muss – sofern das nicht offensichtlich ist – im Einzelnen dargelegt werden, weshalb die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sein sollen. Andernfalls genügt die Beschwerde der Begründungspflicht nach Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG nicht und es ist darauf nicht einzutreten (BGE 142 III 798 E. 2.2 S. 801; 141 IV 284 E. 2.3 S. 287; Urteil 6B_31/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 146 IV 68; je mit Hinweisen).  

1.2. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss rechtlicher Natur sein, damit das Bundesgericht auf die Beschwerde eintritt. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1 S. 130). Dies gilt namentlich, wenn der Zwischenentscheid nicht mehr vor Bundesgericht anfechtbar und daher der höchstrichterlichen Überprüfung entzogen ist. Die Durch- bzw. Weiterführung eines Strafverfahrens begründet nach konstanter Rechtsprechung keinen Nachteil rechtlicher Natur im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, der sich mit einem für die beschuldigte Person günstigen Entscheid nicht beheben liesse (vgl. BGE 133 IV 139 E. 4 S. 140 f.; Urteil 6B_814/2020 vom 11. August 2020 E. 3.3).   Vorliegend stellt sich im Wesentlichen die Frage, ob die Vorinstanz dem Beschwerdegegner 2 zu Recht eine Nachfrist zur Begründung der Beschwerde gewährt hat und ob sie in der Folge überhaupt auf die Beschwerde des Beschwerdegegners 2 hätte eintreten dürfen. Es ist zumindest fraglich, ob der Beschwerdeführer den Einwand, die Vorinstanz hätte aus formellen Gründen nicht auf die Beschwerde eintreten dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren, d.h. nachdem das Verfahren bereits wiederaufgenommen worden ist, effektiv und erfolgreich nochmals vorbringen könnte. Das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils kann deshalb in der vorliegenden Situation nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden. Die Frage braucht indessen nicht abschliessend beantwortet zu werden.  

 1.3. Zu prüfen bleibt, ob die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG vorliegen, worauf sich der Beschwerdeführer explizit beruft. Dazu führt er aus, die Vorinstanz hätte dem Beschwerdegegner 2 weder eine Nachfrist für die Beschwerdebegründung ansetzen noch auf die Beschwerde eintreten dürfen. Die Gutheissung der bundesgerichtlichen Beschwerde erlaube es, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft zu bestätigen und sofort einen Endentscheid herbeizuführen, was einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein künftiges weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.   Das Bundesgericht legt die Ausnahmebestimmung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG, besonders im Bereich des Strafrechts, restriktiv aus (BGE 134 III 426 E. 1.3.2 S. 430; 133 IV 288 E. 3.2 S. 292; Urteil 6B_31/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 146 IV 68). Dies gilt insbesondere auch, wenn die Aufhebung einer Nichtanhandnahme- oder Einstellungsverfügung durch die Beschwerdeinstanz angefochten ist. Verlangt wird, dass die Aufwendungen über diejenigen eines gewöhnlichen Strafverfahrens hinausgehen (Urteil 6B_31/2019 vom 12. Dezember 2019 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 146 IV 68 mit Hinweisen).  Wie bereits ausgeführt, stellt sich vorliegend die Frage, ob die Vorinstanz überhaupt auf die Beschwerde des Beschwerdegegners 2 eintreten durfte. Würde die Frage verneint, hätte dies die Rechtskraft der Verfahrenseinstellung zur Folge, mithin würde ein sofortiger Endentscheid herbeigeführt. Die erste kumulative Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ist damit erfüllt. Würde das Strafverfahren hingegen weitergeführt, wären diverse Beweiserhebungen erforderlich. Zwar steht nicht zwingend ein weitläufiges und komplexes Verfahren im Raum. Die Frage, ob ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG gespart werden könnte, ist aber aufgrund der konkreten prozessrechtlichen Umstände im vorliegenden Fall dennoch zu bejahen. Hätte die Vorinstanz nämlich weder eine Nachfrist ansetzen noch auf die Beschwerde eintreten dürfen, lägen die Voraussetzungen für eine Weiterführung des Strafverfahrens bereits aus formellen Gründen und somit klarerweise nicht vor. Aus prozessökonomischen Überlegungen rechtfertigten sich weitere Beweismassnahmen, Kosten und Aufwendungen unter diesen prozessrechtlichen Umständen nicht. Aufgrund dessen ist auf die Beschwerde einzutreten. 

Und die Moral der Geschicht: aussichtslose Beschwerden gibt es nicht.