Bedingte Entlassung am Tag vor dem Strafende

Der Kanton AG hat einen Strafgefangenen einen Tag vor Vollverbüssung seiner viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe von bedingt aus dem Strafvollzug entlassen; dies bei einer Probezeit von einem Jahr und folgenden Weisungen: Totalabstinenz von Alkohol; Verpflichtung, sich regelmässig mit geeigneten, durch die Vollzugsbehörde zu bestimmenden Mitteln über die Einhaltung des Konsumverbots auszuweisen, und Ermächtigung der Bewährungshilfe, die Abstinenzkontrolle auf andere Suchtmittel auszuweiten; Kontaktverbot zum Opfer; Weiterführung der ambulanten Massnahme).

Das Bundesgericht kassiert diesen sehr kreativen Entlassungsentscheid (BGer 6B_1136/2022 vom 12.01.2023), der m.E. gleich mehrfach tatbestandsmässig sein könnte:

Die Vorinstanz begründet die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Strafvollzug einen Tag vor dem ordentlichen Strafende der 4.5-jährigen Freiheitsstrafe damit, dass die bei ihm festgestellte ungünstige Legalprognose mit spezialpräventiven Massnahmen während der Probezeit allenfalls noch verbessert werden könne. Dabei erachtet sie es als zulässig, die fehlende Voraussetzung betreffend die Prognose als Anlass zu nehmen, um die bedingte Entlassung verbunden mit Bewährungsmassnahmen zu rechtfertigen. Indes schliesst die Vorinstanz selbst unter Zuhilfenahme einer Probezeit, Bewährungshilfe sowie von Weisungen nicht auf eine für die bedingte Entlassung erforderliche Prognose. Sodann sind die vorinstanzlichen Ausführungen in Bezug auf das Verhalten des Beschwerdeführers im Strafvollzug unzutreffend. Zwar reicht ein tadelloses Verhalten im Strafvollzug für die positive Legalprognose nicht aus und kann das Verhalten im Strafvollzug eine bedingte Entlassung nicht rechtfertigen (vgl. Urteil 6B_240/2017 vom 6. Juni 2017 E. 1.5.1 und 1.5.6). Gleichwohl ist es ihm Rahmen der Beurteilung einer bedingten Entlassung zu berücksichtigen (vgl. oben E. 2.2.1). Somit sind die Voraussetzungen der bedingten Entlassung, soweit sie dargetan sind, nicht erfüllt. Folglich sind weder die bedingte Entlassung noch die in diesem Zusammenhang getroffenen Anordnungen betreffend die Probezeit, Bewährungshilfe sowie Weisungen rechtmässig. Der Entlassungsentscheid verstösst gegen Bundesrecht (E. 2.4.1).