Die Anwältin der Strafanzeigerin als Verteidigerin

Eine geschätzte Kollegin hat als Anwältin einer Stiftung Strafanzeige gegen eine Bank erstattet. In der Folge wurde ein Verwaltungsstrafverfahren (Verletzung der GwG-Meldepflicht) gegen einen verantwortlichen der angezeigten Bank eröffnet. Seine Verteidigung hat, na wer wohl, unsere geschätzte Kollegin übernommen. Dazu das Bundesstrafgericht in seinem Urteil BStGer SK.2019.55 vom 28.07.2020):

Gemäss Art. 129 Abs. 1 StPO ist eine beschuldigte Person berechtigt, in jedem Strafverfahren einen Wahlverteidiger zu bestellen oder, unter Vorbehalt von Art. 130 StPO, sich selber zu verteidigen. Im Jahr 2014 reichte die Verteidigung des Beschuldigten im Auftrag des Fonds E. eine Strafanzeige gegen die Bank D. ein (…). Da vorliegend kein Fall von notwendiger Ver­teidigung vorliegt (vgl. Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts SK.2018.53 vom 23. Mai 2019 E. 4.2 und SK.2019.41 vom 5. Dezember 2019 E. 1.6), kann unter prozessualem Gesichtspunkt offenbleiben, ob sich die Verteidigung des Beschuldigten in einem Interessenkonflikt befindet (E. 1.5).

Die beiden Urteile, auf die der Einzelrichter verweist, stammen von ihm selbst. Möglicherweise ist er der Einzige, der begriffen hat, dass die Verteidigung durch einen Anwalt mit Interessenkonflikt für den Beschuldigten von grossem Vorteil sein kann, dass dies aber bei nicht notwendiger Verteidigung strafprozessual gar keine Rolle spielt, solange der Beschuldigte – salopp ausgedrückt – weiss was er tut. Berufsrechtlich ist die Sache aber wohl anders zu beurteilen. Ein Fall für die Rubrik “lawyers behaving badly“?