Fristauslösende Medienberichterstattung?

In einem Streit um die Rechtzeitigkeit einer Siegelungserklärung stellte das ZMG Meilen offenbar auf die Berichterstattung über Hausdurchsuchungen in den Medien ab. Es hat dabei übersehen, dass seine Rechte nur geltend macht, wer sie kennt bzw. dem sie erläutert wurden. Öffentliche Berichterstattung reicht dazu auch gemäss Bundesgericht nicht (BGer 1B_30/2020 vom 27.05.2020).

Hier die Theorie:

Die Anforderung, dass das Siegelungsgesuch sofort gestellt wird, setzt eine entsprechende Aufklärung des Betroffenen durch die Strafverfolgungsbehörden voraus. Die Untersuchungsbehörde, welche Aufzeichnungen und Gegenstände vorläufig sicherstellt, hat deren Inhaber anlässlich der Hausdurchsuchung darüber zu informieren, dass er, falls er Geheimnisrechte geltend machen möchte, die einer Durchsuchung bzw. Beschlagnahme der sichergestellten Unterlagen entgegenstehen könnten, die Siegelung verlangen kann. Ebenso ist der Betroffene darüber in Kenntnis zu setzen, dass nach erfolgter Siegelung (und auf allfälliges Entsiegelungsgesuch der Untersuchungsbehörde hin) der Entsiegelungsrichter über die Zulässigkeit der Durchsuchung entscheidet und dass der Betroffene mangels sofortigen Siegelungsgesuchs den Rechtsschutz verwirkt bzw. mit der Durchsuchung der Unterlagen rechnen muss. Die Information des betroffenen Inhabers über seine Verfahrensrechte muss rechtzeitig, das heisst spätestens nach Abschluss der Hausdurchsuchung, und inhaltlich ausreichend erfolgen. Ohne den Nachweis einer ausreichenden Information des Betroffenen über seine Verfahrensrechte ist eine “konkludente” Einwilligung in die Durchsuchung nicht zu vermuten und liegt kein verspätetes Entsiegelungsgesuch vor (zum Ganzen: Urteil 1B_85/2019 vom 8. August 2019 E. 4.2 mit Hinweisen). Da auch Geheimnisschutzberechtigte, die nicht Gewahrsamsinhaber sind, legitimiert sind, einen Antrag auf Siegelung zu stellen, muss die Strafverfolgungsbehörde dafür sorgen, dass auch sie dieses Verfahrensrecht rechtzeitig und wirksam ausüben können. Wohl hat die Strafverfolgungsbehörde vor einer Sicherstellung bloss den Inhaber von Aufzeichnungen zum Inhalt und zu allfälligen Siegelungsgründen anzuhören (Art. 247 Abs. 1 StPO). Nach der Entgegennahme bzw. Sicherstellung und noch vor der Durchsuchung der Aufzeichnungen hat sie aber von Amtes wegen weiteren Berechtigten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 107 StPO) die Möglichkeit einzuräumen, ein Siegelungsbegehren zu stellen (zum Ganzen: BGE 140 IV 28 E. 4.3.5 S. 37 mit Hinweisen).  Mitbetroffene Dritte, die über ein bereits anhängiges Entsiegelungsverfahren zwar nicht von der Strafbehörde informiert worden sind, aber auf andere Weise davon ausreichend Kenntnis haben, trifft die prozessuale Obliegenheit, ihre Beteiligung am Verfahren auf eigenen Antrieb rechtzeitig zu beantragen. Eine rechtssuchende Person, die sich zu Unrecht als vom Prozess ausgeschlossen wähnt, kann im Licht des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht einfach das Verfahrensende abwarten und erst bei einem für sie ungünstigen Ergebnis geltend machen, sie sei zu Unrecht nicht einbezogen worden (zum Ganzen: Urteil 1B_451/2019 vom 1. April 2020 E. 2.2 mit Hinweisen) [E. 2.3]. 

Im konkreten Fall:

Das Zwangsmassnahmengericht legt nicht dar, wann die von ihm als wesentlich erachtete Berichterstattung in den Medien über die Hausdurchsuchungen erfolgt sein soll. Auch geht es mit keinem Wort auf deren konkreten Inhalt ein. Es bleibt deshalb unklar, was es daraus in Bezug auf den Wissensstand der Beschwerdeführerin ableiten will. Letztere bringt in ihrer Beschwerdeschrift vor, die Hausdurchsuchungen seien in den Medien erstmals am 5. Oktober 2019 erwähnt worden. Anders als das Zwangsmassnahmengericht ist sie zudem der Auffassung, sie habe daraus nicht schliessen können, dass auch sie betreffende Daten sichergestellt worden seien. Zum Beweis legt sie drei Zeitungs- bzw. Zeitschriftenartikel vor. Was sich aus diesen genau ergibt, kann hier jedoch offenbleiben, denn, wie im Folgenden darzulegen sein wird, erfolgte ihr Entsiegelungsgesuch ohnehin rechtzeitig.  Nicht mit Art. 248 Abs. 1 StPO und der dazu ergangenen Rechtsprechung ist vereinbar, angesichts des Empfangs der Beschlagnahmeverfügung durch F. davon auszugehen, die Beschwerdeführerin habe ab diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Sicherstellung sie betreffender Aufzeichnungen gehabt. War F. zu jenem Zeitpunkt bereits freigestellt und zudem selbst Beschuldigter, konnte nicht davon ausgegangen werden, er würde seine Arbeitgeberin über die Beschlagnahme informieren. Daran ändert auch nichts, dass er im Handelsregister zu jenem Zeitpunkt als kollektivzeichnungsberechtigte Person eingetragen war. Eine gehörige Unterrichtung durch die Strafbehörden über das Recht, die Siegelung zu verlangen, konnte somit durch die Zustellung der Beschlagnahmeverfügung an F. nicht ersetzt werden.  Es erscheint deshalb als bundesrechtswidrig, davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bereits am 3. Oktober 2019 über das anhängige Entsiegelungsverfahren ausreichend informiert war. Stellt man stattdessen auf den 5. Oktober 2019 ab, so oblag es der Beschwerdeführerin, sich in der Folge bei den Strafbehörden nach dem Verfahren zu erkundigen und ihren Einbezug zu verlangen (E. 2.3 hiervor). Sie tat dies, indem sie am 10. Oktober 2019 direkt ein Siegelungsgesuch einreichte. Angesichts des Umstands, dass eine gehörige Rechtsbelehrung durch die Staatsanwaltschaft nicht erfolgt war, kann ein innert fünf Tagen eingereichtes Gesuch nicht als verspätet bezeichnet werden. Die Rüge der Beschwerdeführerin erweist sich somit unabhängig davon als begründet, ob man als Zeitpunkt der Kenntnisnahme den 5. oder den 7. Oktober 2019 zu Grunde legt (E. 2.5).