Rechtswidriger polizeilicher GPS-Sender

Dass sich die Polizei im noblen Dienst der Wahrheitsfindung auch einmal über das Gesetz stellt, ist leider nicht so aussergewöhnlich wie man gemeinhin glauben könnte. Ein aktuelles Beispiel liefert ein neuer Entscheid des Bundesgerichts (BGer 6B_878/2019 vom 20.06.2020), in dem es darum ging, dass die Polizei einen Personenwagen mit einem GPS-Sender versah. Das Kantonsgericht BL hat das offenbar als unproblematische Polizeiaktion erachtet, was kaum zu verstehen ist. Für die Feststellung der Rechtswidrigkeit brauchte es tatsächlich das Bundesgericht:

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz fällt das Anbringen des GPS-Senders hingegen klarerweise unter die staatsanwaltschaftlich anzuordnenden und genehmigungspflichtigen Zwangsmassnahmen im Sinne von Art. 280 lit. c StPO (vgl. BGE 144 IV 370 E. 2.1; Urteile 1B_273/2019 vom 3. Dezember 2019 E. 2.2.1; 6B_178/2017 vom 25. Oktober 2017 E. 3.1.2 f., publ. in Pra. 2018 S. 192 mit Hinweis auf THOMAS HANSJAKOB, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, StPO, 2. Aufl. 2014, N. 18 f. zu Art. 280 StPO). Dies gilt unbesehen der Frage, ob im Rahmen der Überwachung Beweise erhoben wurden. Es ist vielmehr die Überwachung an sich, welche als Eingriff in die Grundrechte die Notwendigkeit einer Anordnung durch die Staatsanwaltschaft und Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht begründet (vgl. EUGSTER/KATZENSTEIN, a.a.O., N. 37 f. zu Art. 280 StPO) [E. 1.3].

Die Vorinstanz war davon ausgegangen, es handle sich um eine reine Polizeiaktion, womit sie offenlegt, dass sie den Anwendungsbereich der Strafprozessordnung nicht ganz richtig versteht:

Im Übrigen erhellt aus dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt, dass es der Polizei ohne Weiteres möglich gewesen wäre, die Staatsanwaltschaft rechtzeitig, jedenfalls vor der Verfolgung des Fahrzeugs, über das Anbringen des GPS-Senders zu informieren und sie um Anordnung der technischen Überwachung zu ersuchen. Die Auffindung des Fahrzeugs gelang demnach am 23. November 2016; die Verfolgung fand hingegen erst am 28. November 2016 statt. Angesichts der in die Wege geleiteten Zwangsmassnahme (Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten) sowie des vorinstanzlich geschilderten Tatverdachts einer Serie von Einbruchdiebstählen seitens der Polizei hätte die Staatsanwaltschaft wohl im Verlauf des 23. November 2016 ein Untersuchungsverfahren eröffnen müssen (vgl. Art. 307 Abs. 1 i.V.m. Art. 309 Abs. 1 StPO), sodass auch die weitere Observation unter ihrer Aufsicht hätte erfolgen müssen (vgl. Art. 282 StPO). Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erscheint die Verfolgung des mit GPS-Sender ausgestatteten Fahrzeugs vom 28. November 2016 nicht mehr als rein polizeiliche Massnahme, wie die Vorinstanz argumentiert. Nachdem ferner feststeht, dass eine Genehmigung der technischen Überwachung durch das Zwangsmassnahmengericht fehlt, ist diese rechtswidrig. Dabei spielt keine Rolle, ob die Auffassung des Zwangsmassnahmengerichts zutrifft oder ob dieses das Anbringen des GPS-Senders am visuell überwachten Fahrzeug hätte bewilligen müssen. Diese Frage ist hier nicht mehr zu prüfen. Der Staatsanwaltschaft stand es frei, gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts betreffend Verweigerung der Genehmigung keine Beschwerde an das Bundesgericht zu erheben (vgl. BGE 137 IV 340 E. 2.1 ff.; Urteil 6B_1314/2016 vom 10. Oktober 2018 E. 1.4.3, nicht publ. in BGE 145 IV 114; MARC JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, Basler Kommentar, StPO, 2. Aufl. 2014, N. 10 zu Art. 274 StPO) [E. 1.3, Hervorhebungen durch mich]. 

Zum Sachverhalt stellten sich hier noch ein paar andere Fragen, die aber vor Bundesgericht offenbar kein Thema waren. Aber der Fall zeigt jedenfalls einmal mehr, dass im Dienst der Wahrheitsfindung alles gemacht wird, was möglich ist. Ob es zulässig ist, weiss man ja ohnehin nie so genau. Nicht einmal ein kantonales Obergericht weiss sowas.