Richterliche Kompetenzüberschreitung in Solothurn

Der a.o. Amtsgerichtsstatthalter des Richteramts Solothurn-Lebern hat seine richterliche Kompetenz überschritten, indem er einen Beschuldigten unter Berücksichtigung einer aufgehobenen Massnahme, die zur Vollziehbarkeit einer alten Freiheitsstrafe führte, zu fast vier Jahren verurteilt hatte. Das Obergericht Solothurn sah darin keinen Verstoss gegen die in Solothurn ohnehin hoch angesetzte Einzelrichterkompetenz (bis 18 Monate Freiheitsstrafe), die dann auch noch von nicht gewählten a.o. Gerichtsstatthaltern angewendet wird.

Das Bundesgericht wirft ihm nun eine Verletzung von Bundesrecht vor (BGE 1B_370/2020 vom 10.05.2021, Publikation in der AS vorgesehen):

Der Einzelrichter auferlegte dem Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten. Die vom Bezirksgericht Pfäffikon angeordnete ambulante Behandlung hob er in Anwendung von Art. 63a Abs. 3 StGB wegen Erfolglosigkeit auf. Er erwog, dies habe von Gesetzes wegen (Art. 63b Abs. 2 StGB) zur Folge, dass die vom Bezirksgericht Pfäffikon ausgesprochene Freiheitsstrafe von 30 Monaten vollziehbar werde. Eine Anrechnung der ambulanten Behandlung auf diese Strafe nach Art. 63b Abs. 4 StGB lehnte er ab, da jene zu keiner nennenswerten Einschränkung der persönlichen Freiheit geführt habe. Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, verantwortet der Einzelrichter damit einen Freiheitsentzug von insgesamt 46 Monaten. Dies übersteigt die Grenze von 2 Jahren nach Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO. Wenn sich der Einzelrichter als zuständig angesehen hat, verletzt das daher Bundesrecht. Er hätte den Fall gemäss Art. 334 StPO dem Amtsgericht überweisen müssen (E. 2.9).

Damit geht der Fall zurück auf Feld 1 und muss neu vom Amtsgericht Solothurn-Lebern beurteilt werden.