Auch Rechtsschutzversicherte haben Anspruch auf Entschädigung

Das Bundesgericht kassiert in Fünferbesetzung einen kantonalen Entscheid, der einem Freigesprochenen eine Entschädigung mit der Begründung verweigert hatte, er sei rechtsschutzversichert (BGer 6B_976/2008 vom 08.06.2009). Die Vorinstanz hatte wie folgt argumentiert:

Die Vorinstanz geht davon aus, dass der Beschwerdeführer rechtsschutzversichert ist. Es frage sich deshalb, ob es am Staate sei, die durch eine Versicherung abgedeckten Anwaltskosten zu übernehmen. Die kantonale Praxis habe das bisher bejaht und dabei insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts verwiesen (BGE 117 Ia 295; 122 V 278; 108 V 270 E. 2). Gestützt auf diese im Bereich des Zivilprozessrechts entwickelte bundesgerichtliche Rechtsprechung hätten es das Zürcher (unveröffentlichter Beschluss der III. Strafkammer vom 4. Dez. 1997) und das Solothurner Obergericht (SOG 1999 Nr. 24 S. 39) für unzulässig erachtet, einem freigesprochenen Beschuldigten nur deshalb eine Entschädigung zu verweigern, weil er über eine Rechtsschutzversicherung verfüge. Diese bundesgerichtliche zivil- und verwaltungsrechtliche Rechtsprechung könne aber nicht ohne weiteres auf ein strafrechtliches Verfahren übertragen werden. Weil der Beschwerdeführer über eine Rechtsschutzversicherung verfüge und nicht geltend gemacht habe, diese ersetze die Anwaltskosten nur teilweise, sei das Gesuch abzuweisen (E. 2.2).

Das Bundesgericht hält dies mit guten Gründen für krass falsch (willkürlich):

Diese Argumentation ist nicht haltbar. Die erwähnte bundesgerichtliche Rechtsprechung muss um so mehr für das Strafrecht gelten. Denn der Staat geht gestützt auf seinen Strafanspruch mit Zwangsgewalt gegen den Beschuldigten vor. Für den Fall, dass sich herausstellt, dass dieses strafrechtliche Vorgehen nicht gerechtfertigt war, sehen die Gesetze Entschädigungsansprüche gegen den Staat vor. Der Rechtsstaat kann sich dieser Schadenersatzpflicht offenkundig nicht mit dem Argument entschlagen, der ungerechtfertigt Beschuldigte sei ja versichert. Das bedarf keiner weiteren Begründung. Die Entscheidung ist wegen Willkür zu kassieren (E. 2.2).

Ob der Beschwerdeführer im konkreten Fall eine Entschädigung beanspruchen kann, ist damit aber noch nicht entschieden:

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss der Bürger das Risiko einer gegen ihn geführten materiell ungerechtfertigten Strafverfolgung bis zu einem gewissen Grade auf sich nehmen. Daher ist nicht für jeden geringfügigen Nachteil eine Entschädigung zu leisten. Eine Entschädigungspflicht setzt vielmehr eine gewisse objektive Schwere der Untersuchungshandlung und einen dadurch bedingten erheblichen Nachteil voraus (BGE 84 IV 39 E. 2c; 107 IV 155E. 5). So verstösst die Verweigerung oder Herabsetzung der Entschädigung nicht gegen die Billigkeit, wenn der Angeschuldigte den Anwalt ohne zureichende objektive Gründe beigezogen hat (BGE 110 Ia 156 E. 1b S. 160). Auch eine einmalige kurze Befragung oder Vorladung führt grundsätzlich nicht zu einer Entschädigungspflicht (BGE 113 Ia 177 E. 3; 113 IV 93 E. 3a S. 98 oben). Schliesslich muss der Schaden substanziert und bewiesen werden (BGE 113 IV 93 E. 3e; 107 IV 155 E. 5) (E. 2.3).

Die Vorinstanz wird den Fall neu beurteilen müssen und dann wohl mit anderer Begründung im Sinne der „Bagatellrechtsprechung“ neu entscheiden.