Aufforderung zu einem Verbrechen?
Wer anlässlich einer öffentlichen Kundgebung mit einem Plakat in Verbindung gebracht wird, auf dem zu einem Verbrechen aufgefordert wird, kann sich nach Art. 259 StGB strafbar machen. Das Bundesgericht hat sich in einem Fall für die Strafbarkeit entschieden, in dem im Jahr 2017 zur Ermordung des türkischen Staatspräsidenten Erdogan aufgerufen worden sein soll, und zwar wie folgt (BGE 6B_924/2023 vom 26.08.2025, Publikation in der AS vorgesehen, Medienmitteilung):
Am 25. März 2017 fand nachmittags auf dem Bundesplatz in Bern eine bewilligte Kundgebung mit dem Titel „Für Frieden, Freiheit und Menschenrechte in der Türkei“ statt. Gleichentags setzte sich zu Beginn des Nachmittags ein nicht bewilligter Kundgebungsumzug mit dem Titel „GEGEN DIE DIKTATUR ERDOGANS“ in Bewegung, in dessen Rahmen unter anderem ein Handwagen von der „Reithalle“ bis zum Bundesplatz befördert wurde. Auf dem Handwagen war ein Transparent befestigt, das das Konterfei des Präsidenten der Republik Türkei, Recep Tayyip Erdogan, sowie eine gegen dessen rechte Schläfe gerichtete Faustfeuerwaffe zeigte und mit dem Schriftzug “ KILL ER DOGAN with his own weapons!“ versehen war. Der Handwagen blieb samt Transparent während rund zwei Stunden und 50 Minuten auf dem Bundesplatz stehen und wurde nach Beendigung der Kundgebung zurück zur „Reithalle“ befördert. A. skandierte auf dem Bundesplatz vor dem Transparent über die auf dem Handwagen installierte Musik- bzw. Lautsprecheranlage politische Parolen.
Von solchen Kundgebungen und ihren politischen Parolen mag man ja halten was man will. Aber wenn das strafbar sein soll, dann muss man sich künftig gut überlegen, was noch erlaubt ist. Ich hoffe auf den EGMR vgl. Art. 16 und 22 BV sowie Art. 10 und 11 EMRK).
Fun fact: Vermutlich finden die meisten Kundgebungsteilnehmer von damals den türkischen Präsidenten inzwischen ganz ok.
Die Funfact-Anmerkung verstehe ich nicht.
Und warum wird ein „fact“ mit dem Wort „vermutlich“ proklamiert? 😉
@Thomas Lieven: erwischt! Guter Punkt.
Die strafrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts sind ein durch und durch politisches Gremium, das weder etwas mit Recht, noch Verfassung noch mit deren Grundwerten der Freiheit, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit am Hut hat. Man hat fast den Eindruck, als seien die Damen und Herren dort nicht von der Bundesversammlung gewählt, sondern von Trump höchstpersönlich eingesetzt worden. Die strafrechtlichen Abteilungen sollen nur so weitermachen, dann vertraut bald niemand mehr auf die staatlichen Institutionen der Justiz. Und von dort ist‘s zum Faustrecht und zur Selbstjustiz nicht mehr weit. Wie heisst es so schön? Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott. Und tatsächlich wird man manchmal das Gefühl nicht los, dass sich die Damen und Herren der strafrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts sich wie unantastbare Göttinnen und Götter fühlen. Dabei sind sie nichts anderes als gewöhnliche Menschen wie alle anderen Menschen auch.
Zum fun fact: Ich glaube nicht, dass die Kundgebungsteilnehmenden den Erdogan mittlerweile ganz in Ordnung finden, nur weil er Israel wegen des Genozids an den Palästinensern kritisch gegenüber steht. Das macht ja sein Vorgehen gegenüber dem kurdischen Volk nicht besser und schon gar nicht ungeschehen.