Die neue Gewerbsmässigkeit
Der Paketbote, der die auszuliefernden Pakete an sich nimmt und originalverpackt in seiner Wohnung aufbewahrt, handelt nach einem neuen Urteil des Bundesgericht gewerbsmässig (BGer 6B_1263/2023 vom 28.08.2025):
Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdegegner habe die Ware (bis auf wenige Ausnahmen) nicht gebraucht und – trotz finanzieller Probleme – auch nicht verkauft, sondern diese vielfach originalverpackt in seiner Wohnung aufbewahrt. Wie die Beschwerdeführerin – insbesondere mit Verweis auf den vergleichbaren Sachverhalt in Urteil 6B_1153/2014 vom 16. März 2015 – aber richtig vorbringt, erweist sich der täterschaftlich angestrebte Verwendungszweck der Beute bei der Prüfung von Gewerbsmässigkeit als unerheblich. Fest steht, dass der Beschwerdegegner die fraglichen Gegenstände an sich nahm und sich mithin die Kosten für deren (legale) Anschaffung ersparte. Wie er das betreffende Diebesgut letztlich gebrauchte (resp. was er damit anzustellen gedachte) – ob er dieses verschenken, verkaufen, benutzen oder, wie von der Vorinstanz im Rahmen der einschlägigen rechtlichen Ausführungen selber zitiert, bloss horten wollte – ist unwesentlich. Entsprechend (und entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners) verletzt die Vorinstanz Bundesrecht, wenn sie gewerbsmässiges Handeln mit der Begründung verneint, der Beschwerdegegner habe – mangels Veräusserungswille und da er den Grossteil der Ware ungeöffnet lagerte – keine Absicht gehabt, durch seine Diebstähle Einkünfte (allenfalls im Umfang eines namhaften Betrags an die Finanzierung seiner Lebensgestaltung) zu erzielen. Die Beschwerde erweist sich insofern als begründet (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).
Für die Qualifikation der Gewerbsmässigkeit ist demnach unerheblich, aus welchem Grund sich der Dieb einen Vermögensvorteil verschafft. Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil die Vorinstanz nach meinem Verständnis den Sachverhalt so festgestellt hat, dass Gewerbsmässigkeit ausscheidet.
Auch nicht uninteressant wäre hier übrigens die Frage, ob hier wirklich Diebstahl vorlag.
Diebstahl scheint auszuscheiden: Er nahm die Pakete ja niemandem weg. Zu prüfen wären vielmehr Unrechtmässige Aneignung und Veruntreuung. Aber auch die sind fraglich, weil die Bereicherungsabsicht zweifelhaft hat, sofern er Pakete ja nicht einmal geöffnet hat.
Gewerbsmässigkeit ist nach Rechtsprechung und -lehre dann sowieso nicht erfüllt.
Eher eine (ev. krankhafte) klemptomanische Veranlagung. Aber dann müsste man ja die Frage der Schuldfähigkeit prüfen … das wäre dann doch allzu humanistisch für unsere verkrampfte verbissene Justiz.
Die Aussage, für die Qualifikation der Gewerbsmässigkeit sei unerheblich, aus welchem Grund sich der Dieb einen Vermögensvorteil verschafft, kann ich dem Urteil nicht in dieser Absolutheit entnehmen.
Wenn ich das Urteil richtig verstehe, war der Fehler der Vorinstanz nicht der Schluss aus der fehlenden Absicht, Einkünfte zu erzielen auf die fehlende Gewerbsmässigkeit, sondern vom Unterlassen einer Versilberung der Paketinhalte auf die fehlende Eigenschaft als Einkunft, was in der Konsequenz dann die Gewerbsmässigkeit entfallen liess.
Ich verstehe das Bundesgericht daher so, dass die beabsichtigte Verwendung der Vermögenswerte dann unwesentlich ist, wenn der Charakter als Einkunft unabhängig davon feststeht, was die Vorinstanz nun zu prüfen hat.
Der Charakter als Einkunft ergibt sich, wenn «der Täter sich darauf einrichtet, durch sein deliktisches Handeln relativ regelmässige Einnahmen zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten seiner Lebensgestaltung darstellen.» Ob dieser namhafte Beitrag an die Kosten der Lebensgestaltung dann ausgegeben, verbraucht, verkauft, gespart oder gehortet wird, ist unwesentlich, denn es beantwortet nicht die Frage «Will ich Einkünfte?», sondern «Warum will ich Einkünfte?». Die sofortige Verwendung für laufende Lebenshaltungskosten und der damit einhergehende sofortige Verbrauch ist keine notwendige Eigenschaft von Einkünften aus beruflicher Tätigkeit und daher auch nicht notwendig für den für die Gewerbsmässigkeit notwendigen Charakter als Einkunft aus Tätigkeiten nach Art eines Berufes.
Das scheint mir stimmig. Andernfalls würde die Gewerbsmässigkeit auch entfallen, wenn regelmässig grössere Bargeldbeträge gestohlen werden, das Geld aber nicht ausgegeben, sondern gehortet bzw. gespart wird (?).
@Max Nümegseh: perfekt erklärt und so nachvollziehbar!
„erweist sich der täterschaftlich angestrebte Verwendungszweck der Beute bei der Prüfung von Gewerbsmässigkeit als unerheblich“: Damit dürfte die Absicht gemeint sein. BGE 116 IV 329: „… Sodann ist nach wie vor erforderlich, dass der Täter zweitens in der Absicht handelt, ein Erwerbseinkommen zu erlangen, …“ Die Definition des Erwerbseinkommens wäre damit auf den Erwerb beschränkt. Die Absicht, etwas zu erlangen genügt, Die Weiterverwendung ist unmassgeblich. Ist das aber richtig? Ist nicht der Grund der Qualifikation, dass sich der Täter das Leben durch Straftaten erleichtert, sprich: weniger „krampfen“ muss, indem er stiehlt. Das gilt für die nicht, die die Beute nicht benützen (wollen). Die haben einfach einen Flick weg. Aber ist das Grund für eine qualifizierte Strafbarkeit?
Also ein psychisch kranker Kleptomane ist zukünftig Gewerbsmässig unterwegs