Rechtsstudium wird i.d.R. nicht entschädigt
Das Obergericht ZH hat die Kostennote eines amtlichen Verteidigers um 75% gekürzt. Seine dagegen gerichtete Beschwerde weist das Bundesgericht ebenso ab wie die Beschwerde seines Mandanten (BGer 6B_382/2025 vom 10.09.2025). Zumindest indirekt bestätigt das Bundesgericht den Leitfaden amtliche Mandate der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich:
Die Vorinstanz verweist hierfür zudem willkürfrei auf den Leitfaden amtliche Mandate der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, wonach es sich beim Rechtsstudium – mit Ausnahme aussergewöhnlicher Rechtsfragen – nicht um entschädigungspflichtige Aufwendungen handelt (…) [E. 5.4].
Ich glaube eher nicht, dass die Oberstaatsanwaltschaft befugt ist, einen solchen Leitfaden zu erlassen. Erst recht kann es weder klug noch rechtens sein, wenn sich Gerichte auf einen solchen Leitfaden berufen. Für sich spricht die Auffassung, das Rechtsstudium sei mit Ausnahme aussergewöhnlicher Rechtsfragen nicht zu entschädigen. Mit dieser Haltung könnte man Strafverteidigern mit Ausnahme aussergewöhnlicher Strafverteidigungen das Honorar für Strafverteidigungen absprechen.
Im vorliegenden Fall zeigen übrigens die Erwägungen des Bundesgerichts, dass der Fall zahlreiche komplexe Rechtsfragen aufwarf und das Bundesgericht mehr als einmal beschäftigte. An der Komplexität ändert nichts, dass das Bundesgericht die Beschwerde als von vornherein aussichtslos qualifiziert hat. Das führte aber zum Ergebnis, dass der Anwalt nach dem ersten Obsiegen vor Bundesgericht wohl pro bono verteidigt hat.
Verständnisfrage:
„Die Kosten für die amtliche Verteidigung des Beschwerdeführers 2 im ersten Berufungsverfahren beliefen sich auf Fr. 36’878.35 (inkl. Auflagen und MwSt.). Erstinstanzlich wurde der Beschwerdeführer 1 für seine Bemühungen und Auslagen als amtlicher Verteidiger des Beschwerdeführers 2 mit rund Fr. 83’000.– (inkl. MwSt.) entschädigt.“
Sie wollen sagen, das (zzgl. der Fr. 8’000 für das 2. Berufungsverfahren) habe nicht für eine EMRK-konforme Verteidigung gereicht?
@Elle: Ich will sagen, dass der amtliche Verteidiger, der einer der besten seines Fachs ist, für einen grossen Teil der Zeit, die er investiert hat, nicht entschädigt wurde. Er fand den Aufwand notwendig, sonst hätte er ihn sicher nicht erbracht. Aber die Gerichte – und @Elle – können das bestimmt besser beurteilen.
Der Entscheid zeigt erneut, wie kreativ die Justiz ist, um die wirksame Verteidigung Beschuldigter – zumindest jener ohne Kohle – Schritt für Schritt auszuhöhlen.
Der Verteidiger hat für dieses Verfahren insgesamt Fr. 127’878.35 erhalten. Das sollte für eine wirksame Verteidigung ausreichen, oder nicht?
@Anonym: In manchen reicht es, in manchen nicht. Aber das war ja nicht die Begründung, oder?
Prüfen und klären die Strafbehörden auch nur aussergewöhnliche Rechtsfragen?
@SK: Klar. Alles andere haben sie ja im Studium gelernt. Deshalb stellen Ärzte ja auch keine Rechnung für die Behandlung gewöhnlicher Erkrankungen.
Das Strafrecht hält die schwersten Eingriffe in die persönlichen Rechte bereit. Wer möchte eine Verteidigung, die – da nicht bezahlt – kein Buch mehr öffnet und nur noch aus ihrem Gedächtnis schöpft?
@ok: Das ist ein Missverständnis, lieber @ok. Die Sorgfaltspflichten erfüllen kann man zwar unbestrittenermassen nur mit entsprechendem Rechtsstudium. Die Honorierung steht aber auf einem anderen Blatt. Strafverteidiger haben – als Organe der Rechtspflege und Diener des Rechts – das einmalige Privileg, ihren ehrenwerten Dienst an der Gesellschaft (und am unschuldigen Klienten) frei von jeglichem finanziellem Druck zu erfüllen.
@kj Welches „Privileg“? Ist das ironisch gemeint oder so? Gesetzlich gesehen (nicht meine Meinung) gibt es nur die SorgfaltsPFLICHT und (wie @ok schon andeutet) kann ein Anwalt diese nur erfüllen, wenn er auch weiss was er tut (was Recherche=Rechtsstudium voraussetzt).
Bei der Amtlichen Verteidigung gelten diese Sorgfaltspflichten ebenfalls.
Kurzgesagt: Der Anwalt ist nicht von finanziellem Druck befreit; er wird entweder vom Klienten oder (zu weit tieferen Tarifen) vom Staat bezahlt.
Die einzigen, die keinen finanziellen Druck verspüren, sind Staatsanwälte, Richter und sonstige Magistratspersonen. Ein Richter muss kein „Buch mehr öffnen“, um bezahlt zu werden (wie @ok es für den Anwalt befürchtet). Seine Bezahlung ist staatlich garantiert…. Obwohl, man könnte bei den Bundesrichtern glauben, dass sie starken finanziellen Druck verspüren, wenn man sieht, wie diese an einem Tag 40+ Nichteintreten urteilen.
@Laie: Ich bin mit ok natürlich einer Meinung.
@KJ: Vielen Dank für die wohl die schönste Umschreibung für Frondienst.