Wenn wir ehrlich sind …

„Wenn wir ehrlich sind, wollen wir keine gewaltfreie Gesellschaft“. Unter dieser Schlagzeile publiziert die NZZ ein Interview mit Kiesewetter (PUK Zürich) und Killias (NZZ Nr. 303 vom 31.12.2007, 29). Die Schlagzeile ist ein Zitat aus dem Interview, das aber noch weitere Highlights enthält [meine Kommentare in Klammern]:

Kiesewetter:

Ich wundere mich bei den Gewalttätern, die ich untersuche, immer wieder, mit welcher Inbrunst sie rechtsbürgerliche Positionen vertreten: Ordnung, Gesetz, Durchgreifen. Sogar in der Ausländerpolitik vertreten sie – auch wenn sie Ausländer sind – klar rechtsbürgerliche Positionen. Das birgt natürlich Gewalt. [Natürlich? Ist es nicht vielmehr so, dass das rechtsbürgerliche Gedankengut von Politikern erfunden wurde, die mit dem enormen Wählerpotential der Gewalttäter liebäugeln].

Kiesewetter:

Gewalt gehört allerdings auch zum historischen Kontext der Schweizer. Wir stammen aus einer bäuerlichen Gesellschaft, in der gewalttätige Auseinandersetzung eine anerkannte Rolle spielten. Bis in die jüngste Zeit gab es zum Beispiel in verschiedenen Berner Dörfern geradezu eine entsprechende Tradition. Die Erzählungen von Jeremias Gotthelf sind voll von oft ritualisierter Gewalt. Körperliche Auseinandersetzungen, lebensgefährliche Verletzungen, Wirtshausschlägereien – das gehörte dazu. Nur haben wir heute keine gotthelfschen Wirtshäuser mehr. Die Auseinandersetzungen spielen sich in einer modernisierten Form ab. [Und dieses moderne Zeug muss konsequent kriminalisiert werden].

Killias:

Natürlich gab es früher schon Schlägereien, aber ich wehre mich dagegen, so zu tun, als sei alles schon immer so gewesen. [Dagegen wehre ich mich auch dann noch, wenn es wissenschaftlich bewiesen wäre. Diesen Gotthelf, den Kiesewetter erwähnte, kenne ich nicht. Bestimmt ein rechtsbürgerlicher Politiker aus den sechziger Jahren].

Kiesewetter:

Wir fordern Durchsetzungsstärke, eine klare Haltung, die aggressive Führung eines Betriebes: Das sind lauter gewalttätige Vorstellungen über eine funktionierende Gesellschaft. [Rechtsbürgerliche Vorstellungen natürlich].

Killias (zur Rolle der Medien und der Videospiele als Ursache von Gewalttaten):

Es gibt viele Studien, die einen engen Zusammenhang zwischen Gewalt in Medien und Computerspielen und tatsächlichen Gewalttaten nahelegen. Offen bleibt die Frage nach dem Kausalzusammenhang. […] Man muss sich daher mit Plausibilitäten begnügen. So setzt etwa der Anstieg von Gewalt in Europa Ende der achtziger Jahre ein, als die Videogeräte und Computer in die Haushalte kamen. Ab dann verloren die Eltern die Kontrolle über den Medienkonsum ihrer Kinder. [Ich dachte immer, die Kontrolle über den Medienkonsum der Kinder sei mit der Erfindung der Rolling Stones und des Kopfhörers gekommen].

Killias:

Ich sehe nicht ein, weshalb es nicht möglich sein sollte, die Gewalt in den Medien zum Verschwinden zu bringen. [In der Schweiz ist das sicher möglich. Aber in einem Land mit unabhängigen Medien?].