Mexiko v. Schweiz (Inquisition v. StPO)

Während Mexiko strafprozessual die Inquisition zu überwinden versucht, scheint die Schweiz verunsichert zu sein, ob es klug war, die sie wenigstens im Hauptverfahren aufzugeben. Ein heute in der NZZaS erschienener Artikel stellt die Missstände in Mexiko wie folgt dar:

Eine Reform war überfällig. Der bisher schriftlich geführte Prozess schloss Medien und Öffentlichkeit aus, war korruptionsanfällig und ineffizient. Nur drei Prozent aller Straftaten enden darum bis heute in einer Verurteilung. Steht man in Mexiko aber einmal als Angeklagter vor dem Richter, hat man kaum eine Chance: 95 Prozent der Angeklagten werden verurteilt, entweder aufgrund der umgekehrten Beweislast – der Angeklagte muss seine Unschuld nachweisen – oder aufgrund von unter Folter erzwungenen Geständnissen. Die perverse Folge: Während die meisten Mörder frei herumspazieren, landen Unschuldige im Gefängnis. Es trifft die sozial Schwachen. Zwei von drei Inhaftierten in Mexiko gehören der Unterschicht an.

Ein Sonntagsblatt in Mexico City würde über die Einführung der StPO in der Schweiz vielleicht folgendes schreiben:

Eine Reform war überfällig. Der bisher mündlich geführte Prozess war öffentlich und ineffizient. Nur drei Prozent aller Straftaten werden daher heute öffentlich verhandelt. Alle geheimen Verfahren führen zu einer Verurteilung mit Strafbefehl. Steht man in der Schweiz aber einmal als Angeklagter vor dem Richter, hat man kaum eine Chance: 95 Prozent der Angeklagten werden verurteilt, entweder aufgrund der faktisch umgekehrten Beweislast – der Angeklagte muss seine Unschuld nachweisen – oder aufgrund von unter Untersuchungshaft geförderten Geständnissen. Die perverse Folge: Die Untersuchungsgefängnisse sind überfüllt. Es trifft die sozial Schwachen. Vier von fünf Inhaftierten in der Schweiz gehören der Unterschicht an.