Pornografie – Bundesgericht verschärft Rechtsprechung

Wegen Besitzes von verbotener Pornografie (Art. 197 Ziff. 3bis StGB) kann neu auch bestraft werden, wer die im Cache-Speicher abgelegten Dateien bewusst nicht löscht. Dies ist einem neuen, zur Publikation in der AS vorgesehenen Urteil des Bundesgerichts zu entnehmen (BGE 6B_744/2010 vom 12.05.2011):

Ein ungeübter Computer-/Internetbenutzer, der von der Existenz des Cache-Speichers und den darin enthaltenen Daten nichts weiss, fällt als Täter nach Art. 197 Ziff. 3bis StGB ausser Betracht. Ob er von den Daten Kenntnis hat, ist nach den konkreten Umständen im Einzelfall zu entscheiden. Hinweise darauf können sich beispielsweise aus der Änderung der automatischen Internet-Einstellungen, dem Vorhandensein von Programmen wie Cache-Viewer bzw. Cache-Reader, der manuellen Löschung des Cache-Speichers, dem Nachweis eines Offline-Zugriffs oder aus seinen allgemeinen Fachkenntnissen im Zusammenhang mit Computern und Internet ergeben.

Wer hingegen um die automatische Speicherung der strafbaren pornographischen Daten weiss und diese im Nachgang an eine Internetsitzung nicht löscht, manifestiert dadurch seinen Besitzwillen, selbst wenn er darauf nicht mehr zugreift. Er ist genauso strafwürdig wie der Täter, der ein entsprechendes physisches Dokument aufbewahrt, welches ihm unwillentlich zugekommen ist (vgl. BGE 131 IV 64 E. 11.4 S. 76 f. mit Hinweisen). Das bewusste Belassen von verbotenen pornographischen Daten im Cache fällt somit unter den Tatbestand des Besitzens nach Art. 197 Ziff. 3bis StGB. Insoweit kann an der bisherigen unpublizierten Rechtsprechung, welche den Besitz an Daten im Cache-Speicher ungeachtet der objektiven und subjektiven Komponenten des Besitzes grundsätzlich verneinte (Urteil 6S.254/2006, a.a.O.), nicht festgehalten werden (E. 4.2.2, Hervorhebungen durch mich).

Die Praxisänderung oder -präzisierung zahlt nicht etwa die Vorinstanz, die falsch – bzw. entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts – entschieden hatte. Es zahlt auch nicht das Bundesgericht, das seine Praxis geändert hat. Nein, es bezahlt der unterlegene Beschwerdegegner. Trost mag er darin finden, dass das Bundesgericht mit seinem Entscheid auch gleich wertvolle Tipps für die Verteidigung mitliefert. In der Sache ist der Entscheid wohl richtig.