Anklageprinzip: a majore ad minus?

Wer der Täterschaft angeklagt ist, kann nach einem neuen Urteil des Bundesgerichts ohne Verletzung des Anklageprinzips auch als Gehilfe verurteilt werden (BGer 6B_873/2015 vom 20.04.2016). Das Bundesgericht lässt in diesem Entscheid die Frage offen, ob der Vorwurf der Täterschaft “a majore ad minus” auch den Vorwurf der Gehilfenschaft enthalte.

Es hängt den Beschwerdeführer vielmehr an seiner eigenen Verteidigungsstrategie auf und stösst sich auch nicht daran, dass die Vorinstanz keinen Würdigungsvorbehalt (Art. 344 StPO) gemacht hat:

Es trifft zwar zu, dass dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift Haupttäterschaft vorgeworfen wird und die am Betrug bzw. der Urkundenfälschung mitbeteiligten Y. und Z. explizit als Gehilfen bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die Auffassung der Vorinstanz, wonach der Vorwurf der Täterschaft a maiore ad minus auch den Vorwurf der Gehilfenschaft enthält, zutreffend ist. Denn die Würdigung der Form der Tatbeteiligung als Haupttäter- oder Gehilfenschaft betrifft nicht eine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage, die vom Gericht losgelöst von der jeweiligen Darstellung in der Anklageschrift zu entscheiden ist. Der Umstand, dass die Tathandlungen des Beschwerdeführers nicht als Gehilfenschaft bezeichnet werden, stellt keine Verletzung des Anklagegrundsatzes dar, wenn sich die Gehilfenschaft aus der Sachverhaltsdarstellung in der Anklageschrift als reale Möglichkeit aufdrängt (vgl. Urteil 6B_209/2010 vom 2. Dezember 2010 E. 3.3). Dies ist vorliegend der Fall. Der Beschwerdeführer beantragte denn auch selbst im erst- wie im zweitinstanzlichen Verfahren, eventualiter sei er lediglich wegen Gehilfenschaft zu verurteilen und machte entsprechende Ausführungen in seinen Plädoyers. Entgegen seiner Ansicht geht die Vorinstanz bei der rechtlichen Würdigung seiner Tatbeteiligung – von unwesentlichen Abweichungen abgesehen – auch nicht über den Anklagesachverhalt hinaus. Eine Verletzung von Art. 333 StPO liegt daher nicht vor. Ob unter diesen Umständen die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, kann offengelassen werden. Trotz dem Umstand, dass die Vorinstanz keinen Vorbehalt einer abweichenden rechtlichen Würdigung im Sinne von Art. 344 StPO anbrachte, rechnete der Beschwerdeführer jedenfalls mit der Möglichkeit einer Verurteilung wegen Gehilfenschaft und nahm dazu Stellung. Inwiefern er keine Gelegenheit gehabt haben soll, seinen Standpunkt detailliert darzulegen und den Vorwurf der Gehilfenschaft allenfalls anzuerkennen oder dem Beschwerdeführer sonstwie eine wirksame Verteidigung nicht möglich gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren wurde nicht verletzt (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).

Das ist m.E. kein besonders überzeugender Entscheid. Erstens kann ich mir schlecht vorstellen, wie der Vorwurf der Gehilfenschaft im Vorwurf der Täterschaft enthalten sein kann. Ohne entsprechende Sachverhaltsdarstellung geht das sicher nicht. Zweitens zwingt das Bundesgericht die Verteidigung dazu, sich strikt an die Anklagetatbestände zu halten, etwa mit folgender Bemerkung im Plädoyer: “Mangels eines Würdigungsvorbehalts kommt eine Verurteilung wegen Gehilfenschaft nicht in Frage, so dass ich mich dazu nicht äussere.”