Anwalt vs. Obergericht
Wahrscheinlich täuscht mein Eindruck, wonach das Bundesgericht überdurchschnittlich viele Beschwerden gegen Urteile des Obergerichts des Kanton Aargau zu beurteilen hat und diese auch überdurchschnittlich oft abweist. In letzter Zeit scheint sich zumindest dieser letzte Eindruck zu relativieren. In BGer 6B_439/2012 vom 02.10.2012 heisst das Bundesgericht wiederum (s. meinen gestrigen Beitrag) eine zweite Beschwerde in derselben Angeelgenheit gut und zwingt das Obergericht erneut zu einem dritten Urteil (zum ersten Entscheid s. meinen damaligen Beitrag). Diesmal versuchte das Obergericht, dem obsiegenden Anwalt – zur Strafe? – mit einer Pauschalentschädigung von CHF 300.00 abzuspeisen. Das Bundesgericht hat dafür kein Verständnis:
Wie der Beschwerdeführer zu Recht beanstandet, handelte er nicht in eigenem Namen im Sinne von § 1 Abs. 1 AnwT/AG. Der um sein Honorar streitende amtliche Rechtsvertreter nimmt nicht bloss persönliche Interessen wahr, sondern vertritt seinen Anspruch auf eine Entschädigung für die Erfüllung einer beruflichen Aufgabe, die er im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Auftragsverhältnisses verrichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts steht ihm für diese Interessenwahrung sowohl im bundesgerichtlichen (BGE 125 II 518) als auch im kantonalen Beschwerdeverfahren (Entscheid 1P.599/1999 vom 19. Januar 2000, E. 3c), im Rahmen des erforderlichen Aufwandes und nach Massgabe seines Obsiegens, eine Parteientschädigung zu (Entscheid 6B_493/2007 vom 22. November 2007 E. 3).
Eine Pauschalentschädigung von Fr. 300.– ohne weitere Begründung genügt diesen Anforderungen offensichtlich nicht, da der Beschwerdeführer in seiner Kostennote einen Arbeitsaufwand von 4 Stunden 55 Minuten und Auslagen von Fr. 33.– geltend machte (vgl. BGE 132 I 201). Das Bundesgericht ist nicht dazu berufen, Arbeitsaufwand, Stundenansatz und Auslagen in einem kantonalen Verfahren zu beurteilen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (E. 2).