Bewusste Schlechtverteidigung?
Gemäss Solothurner Zeitung hat ein „Verteidiger“ für seinen Mandanten u.a. wie folgt plädiert:
Verteidiger X.Y. sprach zwar ebenfalls von einer erheblichen kriminellen Energie seines Mandanten. Allerdings sei er auch aufgrund des teils dilettantischen Vorgehens lediglich eine «unverbesserliche und respektlose Landplage» und nicht der «rücksichtslose, gefährliche Verbrecher», zu dem er von der Staatsanwaltschaft gemacht werde. Er fordert eine unbedingte Freiheitsstrafe von maximal 15 Monaten.
Entscheidend ist, welche Ziele der Mandant verfolgte; die genauen Hintergründe des Falles sind mir jedoch nicht bekannt.
Wenn die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht und die Staatsanwaltschaft eine sehr hohe Strafe fordert, kann ein ‚kontrolliertes Zugeständnis‘ eine wirksame Verteidigungsstrategie sein. Die Betitelung als ‚unverbesserliche und respektlose Landplage‘ signalisiert dem Gericht eine realistische Einschätzung des Falls, was wiederum die Glaubwürdigkeit des Verteidigers stärkt (Deutungshoheit der Staatsanwaltschaft schwächen).
Ich gehe stark davon aus, dass der Verteidiger auf diese Weise eine Strafminderung (Schadensbegrenzug) bezweckte und einen Freispruch als unrealistisch annahm. Zugleich vermute ich, dass die Solothurner Zeitung versucht, die Angelegenheit zu einem kleinen Skandal aufzubauschen, da Dramatik bekanntermassen die Klickzahlen und das Leserinteresse steigert (und sie davon leben). Die juristische Finesse dahinter ist für ein breites Publikum weniger interessant als die scheinbare Absurdität der Situation.
Wenn der Verteidiger den eigenen Mandanten in einer öffentlichen Verhandlung als „Landplage“ bezeichnet und damit herabsetzt, ist das unter aller Sau und nicht eine „realistische Einschätzung des Falls“.
@Ano
Wenn der Verteidiger seinen Mandanten „schlechtverteidigen“ hätte wollen, hätte er ihn einfach lasch verteidigt und hätte keine Beleidigung gebraucht. Er hätte 1001 andere (subtilere) Wege gehabt.
Seine Strategie war so gut, dass du ihm ja glaubst; bist der beste Beweis, dass es funktioniert.
Wenn der Verteidiger mit einem respektlosen Satz auch nur einen Tag an Strafminderung bezweckt, dann hat sich das gelohnt. Freiheit ist wichtiger als Respekt. Sowieso, niemand respektiert in einer öffentlichen Verhandlung den Beschuldigten.
Ich wäre mit so einer Strategie einverstanden, denn vom scheinbaren Respekt, habe ich nichts gewonnen. Meine Kinder, meine Frau und meine Freundin sehen mich lieber (fake-) gedemütigt in Freiheit, als (fake-)respektiert in Gefangenschaft.
Zu pauschal. Kann durchaus eine Strategie sein.
„Landplage“ ist ein Pejorativ und steht nicht im Einklang mit der anwaltlichen Treuepflicht. Allfällige Strategie und Kontrastierung hin oder her.
Aber der Staatsanwalt darf ihn als „rücksichtslose, gefährliche Verbrecher“ bezeichnen?
Valentin Landmann hat einmal in einem Fernsehinterview einen ähnlichen Fall geschildert, in welchem er seine Mandantin im Plädoyer selbst niedermachte, damit sie mit Bewährung davonkam.
Valentin Landmann hat auch schon Klienten in Haft vergessen…