Der Aargau reagiert
Dem einen oder anderen Leser mag in den letzten Monaten aufgefallen sein, dass die Aargauer Justiz vor Bundesgericht überdurchschnittlich oft wegen Verletzung von elementaren Verfahrensrechten korrigiert wird. Auch Funk und Fernsehen haben sich jüngst damit beschäftigt. Noch nicht öffentlich zur Kenntnis genommen wurde hingegen, dass der Kanton reagiert.
Er reagiert unter dem Deckmantel „Entlastungsmassnahmen“ durch
- Massive Erhöhung der Gerichtsgebühren.
- Massive Senkung bzw. Einführung von Tiefstpauschalen für die Entschädigung der amtlichen Verteidigung (was i.d.R. ja nicht die Anwälte, sondern die Vertretenen trifft).
Die Massnahmen führen zu weniger Prozessen (und damit auch zu weniger Beschwerden ans Bundesgericht). Es würde mich daher nicht wundern, wenn die Ideen aus der Küche der vom Bundesgericht immer wieder abgemahnten Justiz stammten. Ich kann mir jedenfalls schlecht vorstellen, dass die Regierung oder das Parlament daran interessiert sein könnten, den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger derart zu schwächen bzw. den Rechtsschutz noch viel stärker als bisher von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vertretenen abhängig zu machen.
Für nähere Informationen verweise ich auf das entsprechende Geschäft des Grossen Rats: GR.15.185, insbesondere auf den Bericht, wo u.a. zu lesen ist:
Die Massnahme […] sieht vor, die Entschädigung für amtliche Verteidigungen und unentgeltliche Rechtsvertretungen zu reduzieren. Die Höhe der pauschalen Entschädigung wird neu durch die zuständige Instanz abgestuft nach der Art des Verfahrens und anhand der Fallakten festgelegt. Auch die Entschädigung bei der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft wird um bis zu 20 % herabgesetzt. Dies ist mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vereinbar (vgl. BGE 6B_730/2014 vom 2. März 2015).
Da soll noch einer sagen, im Aargau werde die Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht ernst genommen!
Sehr schön finde ich auch: „Mit der Reduktion der Entschädigung ist zu erwarten, dass die Anwältinnen und Anwälte auf nicht zwingende Handlungen im Rahmen der amtlichen Verteidigung oder der unentgeltlichen Rechtsvertretung verzichten (zum Beispiel Verzicht auf nicht zwingende Teilnahmen an Befragungen der Beschuldigten, Zivilparteien, Zeugen oder Auskunftspersonen).“
Wieso nehmen wir Anwälte auch bloss an Einvernahmen teil, wenn es doch wesentlich günstiger ist, nur das Protokoll zu lesen, dass man dann irgendwann zugestellt erhält – und die Protokollierung geht ja auch viel schneller vonstatten, wenn der Befrager vom Anwalt nicht ständig aufgefordert wird, sich ans Gesetz zu halten.
Stellt sich noch die Frage, was nicht zwingende Teilnahmen an Befragungen sind. Schreibt die Staatsanwaltschaft/Polizei das zukünftig gleich in die Vorladung? Das wäre ja sehr hilfreich. Wenn sie dem Beschuldigten auch noch gleich eine Verteidigungsstrategie empfiehlt, braucht es gar keine Strafverteidiger/innen mehr.
P.S. @kj: Der Bericht scheint nicht richtig verlinkt zu sein, aber man ja über „GR.15.185“.
Und dann hören endlich auch die vielen unnötigen Verfahrens- insb. Haftbeschwerden auf, welche das Obergerichts seit 2011 so be/überlasten. Dies verschafft ihm zukünftig genügend Zeit, um sich der Gutheissung der wenigen übrig bleibenden Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen Haftentlassungen der ZMG zu widmen.
Gute Nacht moderner Rechtsstaat, guten Morgen Inquisition.
Die Miss-Stände beginnen schon bei der Aargrauer KaPo.Als ich im Kt. AG wohnte, hatte ich einen Vermieter der auch seinen Stromverbrauch über meinen Zähler laufen liess und zudem in meine Wohnung eindrang ohne mein Wissen. (Ich hatte eine Zeugin, welche die Vermieterin auf frischer Tat ertappte und fotografierte-die Zeugin wurde eingeschüchtert von den Badener KaPo- Bullen und zog ihre Aussagen zurück..).Als ich beim KaPo-Posten Baden Anzeige deswegen einreichen wollte, bekam ich Folgendes zu hören : „Ihre Vermieter sind ältere Leute. Wenn wir die zur Einvernahme auf den Posten bestellen und es macht einer von denen bei uns einen Herz-Infarkt-was denken Sie, wie wohl die Aargauer KaPo wieder dasteht?'“ Zu meiner Zeugin folgende, abschätzige Bemerkung: „Die Frau XZZ mit ihrem Alkohohlproblem, ja die ist uns bestens bekannt..“. Nach längerem Diskutieren (und weil ich wohl in Begleitung eines Kollegen dort war..) wurde meine Anzeige angenommen, aber danach verschleppt. Immer war der Dossier-betreuende Beamte „grad zur Tür raus“ oder „hat heute keinen Dienst, ist krank blabla.“- bis die 30 Tage vorbei waren. Pikantes Detail: Die Anwältin, welche mir vom Aarg. „Mieterverband“ zugeteilt wurde, war privat bestens mit jenem Beamten bekannt, was der mir in seiner Dumm-Dreistigkeit noch bestätigte: „Ja, Frau XX und ich, wir kennen uns sehr gut.“Fazit: Das Ganze hat System-fängt schon bei den Aargrauer Bullen-Nullen an. Ich für meinen Teil werde Anzeigen nur noch bei der Staatsanwaltschaft einreichen-in welchem Kanton auch immer und auf meine Steuern kann dieser „Rechts(aussen)-Staat“ in Zukunft verzichten.
Herrr Raeber Stimmt, was Sie sagen. Wenn man bei der Kapo im Aargau Strafanzeige erstatten will, dann heisst es: Man könne die schriftliche Anzeige gleich wieder mitnehmen, denn diese würde sowieso nur in der Schublade landen. Die machen leider was sie wollen im Kanton Aargau. Ist mir 2x so geschehen.
In einem anderen Fall wollte ich Strafanzeige beim Polizeiposten direkt machen. Wieder wies man mich ab. Im Kanton Zürich wurde dann meine Strafanzeige -obschon die nicht für den Kt. Aargau zuständig sind- anstandslos entgegengenommen und der Angeschuldigte wurde dann auch verurteilt. Unglaublich, dass der Kanton Zürich für den Aargau die Arbeit erledigen muss!
Kleiner, aber wichtiger Nachtrag: Was ich von den Badener KaPo-Nullen auch noch zu hören bekam, ist folgende Bemerkung: “ Recht haben und dann auch noch Recht bekommen, das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe- vorallem für eine Person wie Sie!!“. Merke: Recht bekommen ist im Kt. AG (und wohl auch bald in Rest-Helvetistan) personenabhängig.Da hat „Valter“ Recht-siehe 12.10 15. Kleine Ergänzung: Denke ich an Helvetistan in der Nacht….(und erst recht bei Tageslicht)..so brauche ich sicher nie irgendwelche Abführmittel.
Die Entschädigungen erscheinen mir bisher schon nicht gerade fürstlich:
Dekret über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif)
3. Entschädigung in Strafsachen *
§ 9
2bis
Der Stundenansatz beträgt in der Regel Fr. 220.– und kann in einfachen Fällen bis auf Fr. 180.– reduziert und in schwierigen Fällen bis auf Fr. 250.– erhöht werden. Auslagen und Mehrwertsteuer werden separat entschädigt. *
Und für die Auslagen gibt’s in der Praxis scheinbar irgendeine unrealistisch tiefe Pauschale.