Höchstrichterliche Verwarnung
In einem heute publizierten Entscheid droht das Bundesgericht einem Anwalt, der trotz mehrfacher Fristerstreckung keine Vollmacht nachgereicht hat, mit Auferlegung der Verfahrenskosten (BGer 7B_609/2025 vom 11.09.2025):
Mangels Einreichung einer Vollmacht im Sinne von Art. 40 Abs. 2 BGG innert Frist und bis heute, ist auf die von Rechtsanwalt B. für den Beschwerdeführer erhobene Beschwerde und das darin gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung androhungsgemäss nicht einzutreten. Ausnahmsweise kann auf eine Kostenauflage verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Das Bundesgericht behält sich jedoch vor, Rechtsanwalt B. bei künftigen vollmachtlosen Beschwerdeerhebungen die Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BGG) [E. 4, Hervorhebungen durch mich].
Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass der psychisch beeinträchtigte Beschwerdeführer das Bundesgericht mit einer eigenen Eingabe gebeten hatte, die Beschwerde seines Anwalts zu ignorieren. Er werde selbst eine Beschwerde einreichen und dann die Vollmacht beilegen. Gleichzeitig ersuchte er um eine Erstreckung der nicht erstreckbaren Beschwerdefrist. Das Bundesgericht wollte ihn dennoch nicht verbeiständen (Art. 41 Abs. 1 BGG).
Vielleicht spielte hier auch eine Rolle, dass der Beschwerdeführer nach Eingang der Beschwerde seines (?) Anwalts aus der Haft entlassen wurde.
Art. 41 BGG (Postulationsunfähigkeit) gilt für ihn nicht mehr, weil er eine eigene Eingabe machte und seinen Willen ausdrückte. Handeküssend nahm der Richter seine Eingabe entgegen und konnte aus Formgründen den Fall beenden.
Hatte wohl keinen Bock mehr und verstand offensichtlich auch nicht, worum es geht… Schade. Wäre sowieso gegenstandlos geworden die Haftentlassung.
Ich kannte mal einen Anwalt, der vertrat einen Streckmittel-Einführer, der von den kantonalen Instanzen zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nicht ohne den Anwalt für seine Rechtsansicht auszulachen bzw. zu verhöhnen. Das Bundesgericht entliess den „Täter“ nach Einreichung der Beschwerde aus der Haft, ohne dass der Anwalt informiert wurde, er wurde sofort ins Nirgendwo ausgeschafft, ohne dass der Anwalt informiert wurde. Das Bundesgericht verlangte dann eine Vollmacht für das bundesgerichtliche Verfahren. Die Absicht war durchsichtig: Behinderung, nein, Verhinderung des Rechts. Der Mann hatte aber Kontakt mit dem Anwalt aufgenommen und die Vollmacht konnte fristgerecht eingereicht werden. Er (nicht der Anwalt, der aber auch) wurde freigesprochen, und den Kanton kostete es mehrere zehntausend Franken Genugtuung. Übrigens: Der Mann wollte nach dem enttäuschenden Urteil des Obergerichts nichts mehr mit dem Verteidiger zu tun haben. „Geh weg!“ Der Anwalt musste also im Interesse des arg enttäuschten Mannes, aber quasi ohne Vollmacht, wenn man das „Geh weg!“ so deutet, Beschwerde beim Bundesgericht einreichen, notabene mit vollem Kostenrisiko. Nach der Haftentlassung war das „Geh weg!“ immerhin aufgehoben. Der Anwalt erhielt vom Bundesgericht nicht mehr als die übliche magere Prozessentschädigung zugesprochen. Zu wenig zum Leben, vom Sterben wollen wir nicht reden.