Keine Ausstandspflicht für Bundesrichter
Das Bundesgericht hat kürzlich einen bemerkenswerten Entscheid publiziert, dessen Brisanz erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist (BGer 6F_18/2024 vom 11.07.2025). Hellhörig machte mich der Umstand, dass die Bundesanwaltschaft beim Bundesgericht ein Revisionsgesuch gestellt hat, was nun wirklich eher selten sein dürfte.
Anlass zum Revisionsgesuch gab der Bundesanwaltschaft eine unerwartet durch das Bundesgericht gutgeheissene Beschwerde (BGer 6B_1490/2022 vom 01.07.2024). An seinem Entscheid hat mindestens ebenso unerwartet ein Bundesrichter mitgewirkt, der offenkundig vorbefasst war, zumal er bereits in seiner früheren Rolle als Richter am Bundesstrafgericht mit dem gleichen Fallkomplex als Sachrichter geurteilt hatte.
Mein Punkt ist der folgende, der sich aus dem letzten Entscheid des Bundesgerichts ergibt: Ein Bundesrichter tritt objektiv pflichtwidrig nicht in den Ausstand und im Revisionsentscheid macht das Bundesgericht im Ergebnis nicht etwa den Richterkollegen, sondern die Gesuchstellerin (hier die Bundesanwaltschaft) dafür verantwortlich. Falls diese Rechtsprechung über den eher unrühmlichen Einzelfall hinaus Gültigkeit beansprucht, müssen sich die Parteien künftig im Voraus Gedanken darüber machen, wer dem Spruchkörper angehören könnte. Befinden sich darunter möglicherweise Personen, gegen die man Ablehnungsgründe vortragen könnte oder sollte, muss man das bereits vorsorglich tun. Man darf sich nicht (mehr) darauf verlassen, dass eine Richterin ihre Ausstandspflichten (hier: Art. 34 BGG) kennt und befolgt.
Konkret lässt sich den Entscheiden folgendes entnehmen:
In BGer 6F_18/2024 vom 11.07.2025 hat das Bundesgericht in ausserordentlicher Besetzung ohne Mitwirkung der eigentlich zuständigen Abteilungspräsidentin entschieden, auf das Revisionsgesuch der BA nicht einzutreten. Diese hatte geltend gemacht, Bundesrichter Muschietti habe dem Spruchkörper angehört, der im Verfahren 6B_1490/2022 einen Schuldspruch der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts kassiert hatte (BGer 6B_1490/2022 vom 01.07.2024), obwohl er in diesem Zusammenhang schon in seiner Zeit als Einzelrichter am Bundesstrafgericht beteiligt war. Von der Mitwirkung von Bundesrichter Muschietti habe die BA aber erst mit Eröffnung des oben erwähnten Urteils 1. Juli 2024 erfahren.
Das Bundesgericht dreht den Spiess kurzerhand um. Es wirft der BA vor, im Beschwerdeverfahren 6B_1490/2022 kein (vorsorgliches) Ausstandsgesuch gegen Bundesrichter Muschietti gestellt zu haben, obwohl ihr bekannt sein musste, dass er der zuständigen Abteilung des Bundesgerichts angehörte. Daraus schliesst das Bundesgericht auf Nichteintreten.
Auswahl verbundener Entscheide:
- BGer 6B_1490/2022 vom 01.07.2024: Das Bundesgericht kassiert einen Schuldspruch der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.
- BStGer CA.2021.15 vom 20.06.2022): Schuldspruch
- BStGer SK.2021.3 vom 28.05.2021: Schuldspruch
- BStGer SK.2018.16 vom 18.10.2018: Einstellung / Freispruch (Einzelrichter Muschietti)
- BStGer SK.2018.15 vom 18.10.2018): Freispruch (Einzelrichter Muschietti)
So höhlt das Bundesgericht den Anspruch auf unparteiische Richter, eine rechtsstaatliche Verfahrensgarantie, weiter aus.
So wie Bundesrichter auch an Entscheiden in eigener Sache mitwirken (wenn sie von einer Rüge selber betroffen sind).
Man darf vom BGer keine unbefangenen Richter erwarten, sagt das BGer selbst 😉
1. Lastenverschiebung der Verantwortung vom Richter auf die Prozessparteien
Amtspflicht? Ausstandspflicht? Nope, du musst proaktiv alle Bundesrichter kennen und bei möglicher Befangenheit im Vorhinein einen Antrag stellen.
2. Vorrang von Formalismus vor materieller Gerechtigkeit
Das höchste Gericht hatte die Chance, das Vertrauen in die Justiz zu stärken, indem es den Anschein der Befangenheit proaktiv ausräumt. Stattdessen wich es der heiklen Sachfrage durch einen prozessualen Kniff aus. Bravo!
Das Bundesgericht hat die entscheidende Frage – nämlich, ob Richter Muschietti aufgrund seiner Vorbefassung tatsächlich befangen war oder zumindest der Anschein der Befangenheit bestand – gar nicht erst geprüft. Stattdessen wurde das Gesuch aus rein formellen, prozessualen Gründen abgewiesen (wegen „Verwirkung“ durch verspätetes Vorbringen).
3. Unzumutbarer praktischer Aufwand für die Prozessparteien
„Die Richter sind öffentlich“ murmmelt das BGer, „sie sind ja bekannt“ schreit das BGer!
Recherchepflicht: Parteien müssten bei jedem Verfahren systematisch die Biografien und früheren Tätigkeiten aller potenziell beteiligten Richter recherchieren und diese mit dem gesamten Fallkomplex abgleichen.
Diese Erwartungshaltung ist besonders für kleinere Kanzleien oder Privatpersonen, die nicht über die Ressourcen einer Bundesanwaltschaft verfügen, kaum realistisch. Aus dem Urteil lässt sich entnehmen, dass es auch für die BA nicht realistisch war….
4. Gefährdung des Vertrauens in die Justiz
Wenn das höchste Gericht des Landes ein potenzielles Befangenheitsproblem in den eigenen Reihen mit einem formaljuristischen Argument abweist, kann bei Aussenstehenden der Eindruck entstehen, dass das System sich selbst schützt („Esprit de Corps“).
Fazit
Alle Pflichten der Justiz sind irrelevant und wenn man sie missachtet, passiert nichts (z.B. Ausstandspflicht, Fristeinhaltung etc.). Alle Pflichten von Parteien (z.B. Beschuldigter, Opfer) sind Pflichen und bei Missachtung, verwirkt man seine Rechte.
Super Justiz. Toll, dass ihr so fetten Palast habt und pro Tag mehrere Tausend Franken einsackt!! Der Bürger muss zahlen, damit die Kinder von Bundesrichtern mit Lambos durchs Land fahren. Erhaben über das einfache Volk. Wenn man sie anfasst, kommt man lebenslänglich hinter Gitter. wo man zur Arbeit (für den Lohn der Richter) gezwungen wird
Die Laiensicht ist wie immer die prägnanteste.
Alle Pflichten der Justiz sind irrelevant und wenn man sie missachtet, passiert nichts (z.B. Ausstandspflicht, Fristeinhaltung etc.). Alle Pflichten von Parteien (z.B. Beschuldigter, Opfer) sind Pflichen und bei Missachtung, verwirkt man seine Rechte.
Das nennen die Juristen dann faire Verfahren und Waffengleichheit, man sollte doch einfach ehrlich sein denn Deckmantel der „Rechtstaatlichkeit“ aufgeben Inquisitionsprozesse führen und alle der Todesstrafe preisgeben die man nicht will.
Das wäre wenigstens ehrlich….