Neun Monate für die Urteilsbegründung

Selbst bei Anwendung des qualifizierten Beschleunigungsgebots ist eine Überschreitung der gesetzlichen Begründungsfrist (Art. 84 Abs. 4 StPO) um drei Monate lediglich eine leichte Verletzung (BGer 6B_900/2024 vom 20.03.2025). Das Bundesgericht stellt eine Sammlung von Entscheiden zusammen, auf die es sich auch hier stützt:

Doch selbst wenn man vorliegend nicht mehr von einem durchschnittlichen Verfahren ausgeht, nahm die vorinstanzliche Urteilsredaktion zu viel Zeit in Anspruch. Dem Beschwerdeführer ist seit dem 13. November 2020 die Freiheit entzogen. Er befand sich bis am 15. September 2021 in Haft und ist seither im vorzeitigen Strafvollzug. Berücksichtigt man, dass Haftsachen vordringlich behandelt werden müssen (Art. 5 Abs. 2 StPO), ist die für die Urteilsbegründung benötigte Zeit von neun Monaten nicht mit dem Beschleunigungsgebot vereinbar (siehe zum Vergleich Urteile 7B_211/2024 vom 31. Mai 2024 E. 2.2 [9 Monate]; 6B_16/2023 vom 17. Mai 2024 E. 5.3.3.5 [12 Monate]; 6B_1399/2021 vom 7. Dezember 2022 E. 4.3 [9 Monate]; 1B_443/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 3.4.1-3.4.3 [8 Monate]; 1B_82/2021 vom 9. September 2021 E. 2.4 [7 Monate]). Insgesamt wiegt die Verletzung des Beschleunigungsgebots jedoch noch leicht, sodass sich keine Reduktion der Strafe rechtfertigt. Die Verletzung des Beschleunigungsgebots ist im vorliegenden Urteilsdispositiv festzustellen. Damit und in Verbindung mit einer für den Beschwerdeführer vorteilhaften Kostenregelung (vgl. E. 6 hernach) wird ihm gemäss Rechtsprechung eine hinreichende Wiedergutmachung verschafft (vgl. BGE 147 I 259 E. 1.3.3; 138 II 513 E. 6.5; 137 IV 118 E. 2.2; Urteile 6B_402/2022 vom 24. April 2023 E. 4.4.3; 6B_1399/2021 vom 7. Dezember 2022 E. 4.3; je mit Hinweisen) [E. 5.4.3].

Die Wiedergutmachung der Gesetzesverletzung besteht also in deren Feststellung und in einer „vorteilhaften“ Kostenregelung. Diese besteht im Verzicht auf eine Gebühr und in der Gewährung der maximalen Höhe der Entschädigung des Verteidigers (!). Dem Verteidiger wurde die Kostennote von der Vorinstanz allerdings massiv gekürzt und seine eigene Beschwerde hat das Bundesgericht abgewiesen (BGer 6B_902/2024 vom 20.03.2024). So konnte das Bundesgericht das grosszügige Honorar im ersten Verfahren gleich wieder zurücknehmen.