Strafzumessung bei nicht bestimmbarer schwerster Straftat
Das Bundesgericht äusserte sich im bereits genannten und zur Publikation vorgesehenen Urteil 6B_483/2016 vom 30. April 2018 nicht ausdrücklich, wie in Fällen wie dem vorliegenden bei der Strafzumessung zu verfahren ist. Es liegt jedoch auf der Hand, dass beim Versand einer Paketbombe mit einer Vielzahl möglicher Todesopfer nicht gesagt werden kann, bezüglich welchen Opfers die schwerste Straftat im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB vorliegt. Daher ist das Gericht in solchen Fällen weiterhin nicht gehalten, in Zahlen oder Prozenten anzugeben, in welchem Umfang es dem Asperationsprinzip straferhöhend Rechnung trägt. Es lässt sich schlechterdings keine schwerste Tat bestimmen, für welche eine Einsatzstrafe festgesetzt werden könnte. Vielmehr liegt eine einzige Tathandlung vor, die gleichzeitig auf die Tötung mehrerer Menschen abzielte (E. 1.3.4).
2.3.2 Wie bereits oben (…) erwähnt, wurden auf der sichergestellten Paketbombe DNA-Spuren von A. festgestellt (…). Das IRM stellte bei der Auswertung des Handgranatenkörpers und -zünders ein vollständiges DNA-Profil des Beschuldigten (…) und beim weissen Klebeband, womit das Innenpaket mit dem Geschenkpaket fixiert worden war (…), ein Teilprofil, d.h. ein inkomplettes DNA-Profil des Beschuldigten, fest (…). Schliesslich ergab eine inkomplette Mischspur ab den braunen Klebebandabschnitten im Paket anteilmässiges Spurenmaterial des Beschuldigten (…). Solches braunes Klebeband wurde einerseits zur Fixierung des Schlüsselbrettchens am Innen-Deckel des Postpakets und andererseits zur Fixierung der Weissweinflache verwendet (…).2.3.3 Der Beschuldigte hat bereits im Rahmen der Eröffnung der Festnahme am 31. Januar 2017 anerkannt, das fragliche Paket mit der Handgranate am 25. September 2002 an seinem damaligen Wohnort in ZZ. zusammengestellt und es am 26. September 2002, mit der Absenderangabe „I.“, postalisch von der Poststelle YY. aus an die Redaktion der Zeitung G. in X.. geschickt zu haben. Die Handgranate habe er 2001 in Z. geschenkt erhalten, als er dort für die P. als Dolmetscher tätig gewesen sei. Mit Ausnahme der Weinflasche habe er die Bestandteile der Paketbombe in der Q. in YY. besorgt, so auch ein mit Haken versehenes Holzbrettchen (Schlüsselbrett). Das Paket habe er präpariert, um der Redaktion von G. einen „Denkzettel“ zu verpassen, denn die Zeitung habe 1997 oder 1998 Texte über Flüchtlinge/Vertriebene aus dem XX. verfasst und deren Fluchtorte publiziert, worauf dort ein Massaker stattgefunden habe.
In Bezug auf den Zusammenbau der Paketbombe sagte er aus, er habe den Sprengkörper so präpariert, dass er sicher nicht in die Luft gegangen wäre. Er habe die Bombe (gemeint: Handgranate) ca. in die Mitte des Postpakets hingelegt, dass sie nicht explodiere. Das Brett mit dem Kleiderhaken (gemeint: Schlüsselbrett) habe er mit doppelseitigem Klebeband an den Deckel des Pakets geklebt. Der Haken (vom Schlüsselbrett) sei nicht mit der Bombe in Berührung gekommen und habe sie nicht entsichern können. Er sei sich sicher gewesen, dass das doppelseitige Klebeband noch vor dem Eintreffen des Pakets beim Empfänger heruntergefallen wäre.
Auf Nachfrage im Zusammenhang mit den Zielpersonen sagte er aus, dass er die in der fraglichen Redaktion tätigen Personen nicht gekannt habe. Er habe lediglich gewusst, wo sich die Redaktion befinde. Er habe sich auch nicht vorgängig bei der Zeitung über die beanstandete Berichterstattung beschwert. In Bezug auf die Paketbombe habe er niemanden informiert. Soweit er sich erinnere, habe er weder schriftlich noch mündlich eine entsprechende Mitteilung getätigt (…).
Beweiswürdigung:
2.4.1 Die Aussage des Beschuldigten, wonach er die Paketbombe zusammengebaut und sie Ende September 2002 an die Redaktion der Zeitung G. in X. verschickt habe, ist glaubhaft, sie wird nicht nur durch die ihm zuzuordnenden DNA-Spuren auf dem Sprengkörper und der inneren Verpackung (E. 2.3.2 und Lit. E) untermauert, sondern auch durch die Übereinstimmung mit den Ausführungen des Beschuldigten zu festgestellten Elementen des Paketinhalts, zum ermittelten Versandort und den Angaben auf der Adressetikette.
Spektakulär ist auch der Umgang mit BGE 6B_483/2016, vgl. E. 1.3.2 in fine:
„Weiter wies das Bundesgericht darauf hin, die zahlreichen Ausnahmen vom Grundsatz der konkreten
Methode trügen nicht zur Rechtssicherheit und einer einheitlichen Rechtsanwendung bei. Art. 49 Abs. 1 StGB sehe keine Ausnahmen für bestimmte Konstellationen mehrfacher Deliktsbegehung vor und schliesse die Anwendung des Asperationsprinzips bei mehrfacher Begehung desselben Delikts gerade nicht aus. Eine Gesamtbetrachtung aller Taten oder die Bildung von Deliktsgruppen zur Strafartbestimmung laufe im Ergebnis auf eine selektive Aufgabe der Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip zugunsten der gesetzlich nicht vorgesehenen Einheitsstrafe hinaus (E. 3.5.4 mit Hinweisen).“
Dazu aber BGer 6B_523/2018 E. 1.2.2:
„Gleichzeitig bestätigt das Bundesgericht im Urteil 6B_483/2016 grundsätzlich die Zulässigkeit von Ausnahmen von der konkreten Methode im Einzelfall gemäss seiner jüngeren Rechtsprechung (…).“
Was gilt nun?