Strafzumessungs-Berufung
Eine Berufung auf die Strafzumessung zu beschränken, ist in der Regel keine gute Idee, jedenfalls nach der jetzt präzisierten Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 6B_687/2024 vom 17.09.2025, Publikation in der AS vorgesehen):
Die dargestellte Rechtsprechung ist zu präzisieren. Richtig ist, dass der von der ersten Instanz festgestellte Sachverhalt für das Berufungsgericht nicht ohne Weiteres verbindlich ist, weil dieses grundsätzlich über volle Kognition verfügt (Art. 398 Abs. 2 und StPO; BGE 141 IV 244 E. 1.3.3; Urteile 6B_1167/2015 vom 25. August 2016 E. 1.3; 6B_853/2016 vom 18. Oktober 2017 E. 3.1.1). Allerdings verzichtet der Berufungskläger auf eine umfassende Prüfung bzw. schränkt er die Prüfungsbefugnis des Berufungsgerichts auch in sachverhaltlicher Hinsicht ein, wenn er nur die Strafzumessung anficht. Vom der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt kann diesfalls im Berufungsverfahren nur noch eingeschränkt abgewichen werden.
Durch den nicht angefochtenen und damit rechtskräftigen erstinstanzlichen Schuldspruch wird ein bestimmter Lebenssachverhalt fixiert und – unter Ausnahme von Art. 404 Abs. 2 StPO – verbindlich als strafbar beurteilt. Dadurch werden die äusseren Grenzen des im Rahmen einer auf die Strafzumessung beschränkten Berufung noch zur Disposition stehenden Sachverhalts festgelegt. Als Folge kann sich eine auf die Strafzumessung beschränkte Berufung nicht gegen die den Schuldspruch tragenden Sachverhaltselemente wenden. Ebenso wenig kann festgestellt werden, einzelne von der ersten Instanz als strafbar beurteilte Lebenssachverhalte hätten sich nicht ereignet, denn dies stünde im Widerspruch zum nicht angefochtenen Schuldpunkt. Das Berufungsgericht kann nur von anderen Tatumständen ausgehen, sofern es sich weiterhin um denselben Lebenssachverhalt handelt und kein neuer begründet wird (vgl. zum Begriff des „Lebenssachverhalts“: BGE 149 IV 50 E. 1.1.3; 148 IV 124 E. 2.6.6; 144 IV 362 E. 1.3.2; Urteile 7B_455/2023 vom 3. Oktober 2024 E. 3.3.1; 6B_1053/2017 vom 17. Mai 2018 E. 4.1; 6B_453/2017 vom 16. März 2018 E. 1.2) [E. 3.3].
Ok. Verstehe ich schon, aber auch nicht.
Beispiel: Erstinstanz sagt, es sind 300 Gramm. Mit Berufung soll gerügt werden, dass es nur 150 Gramm sind. Beides resultiert im gleichen Schuldspruch (qual. WH BM), der grundsätzlich richtig ist und nicht angefochten werden muss.
Die Menge ist nun für die Sanktion von Bedeutung. Nun: Wie soll man dies anfechten können, wenn der „Lebenssachverhalt“ durch den erstinstanzlichen Schuldspruch fixiert ist? Muss man nun auch extra noch zusätzlich den Schuldspruch anfechten, obwohl dieser grundsätzlich richtig ist und die Berufung deswegen sowieso abgewiesen wird?
Ich bitte um Erleuchtung.
@Anonym: Geht nur über die vollumfängliche Berufung.
@Anonym: Ich meinte, Sie können die Drogenmenge im Rahmen einer auf die Strafzumessung beschränkten Berufung anfechten, ohne den Schuldspruch anfechten zu müssen.
Das lässt sich vom hier behandelten BGE ableiten:
Explizite Erwähnung des Drogenhandels (E. 3.3.2): Das Bundesgericht führt seine bisherige Rechtsprechung auf und stellt klar:
„Konkret hat das Bundesgericht betreffend den qualifizierten Drogenhandel entschieden, dass im Rahmen der Strafzumessung auf die Drogenmenge und deren Reinheitsgrad zurückgekommen werden könne.
Präzisierung der Rechtsprechung (E. 3.3.3): Eine auf die Strafzumessung beschränkte Berufung bedeutet, dass der Lebenssachverhalt, der zum Schuldspruch geführt hat, fixiert ist. Man kann nicht argumentieren, die Tat habe gar nicht stattgefunden. Man kann aber sehr wohl die Umstände der Tat (Tatumstände) anders bewerten, solange der grundlegende Lebenssachverhalt derselbe bleibt.
Ihr Beispiel: Ob 300g oder 150g gehandelt wurden, ändert nichts am „Lebenssachverhalt“ des qualifizierten Drogenhandels und somit am Schuldspruch. Es wird nicht bestritten, dass ein qualifizierter Drogenhandel stattfand. Es wird lediglich ein Detail – die Menge – bestritten, das für die Strafzumessung von entscheidender Bedeutung ist. Dies ist genau der Fall, den das Bundesgericht als zulässig erachtet.
Was passiert, wenn es plötzlich nur noch nachweislich 17g Kokain sind und damit den Schuldpunkt berührt?
Nach dem Gesagten müsste der Schuldpunkt „qualifizierter Drogenhandel“ unangetastet bleiben.
Das Gericht müsste allerdings gestützt auf Art. 404 Abs. 2 StPO (wird auch unter E. 3.3.3 aufgeführt) den rechtskräftigen Schuldspruch von „qualifiziertem Drogenhandel“ auf den „Grundtatbestand des Drogenhandels“ herabstufen.
Denn Art. 404 Abs. 2 StPO besagt: „Das Berufungsgericht kann zugunsten der beschuldigten Person auch nicht angefochtene Punkte überprüfen, um gesetzwidrige oder unbillige Entscheidungen zu verhindern.“