Unentgeltliche Rechtspflege: Grenzen der Mitwirkungspflicht v. Gebot der Abklärungspflicht

Wer seine Mitteillosigkeit behauptet, hat sie grundsätzlich mit eigenen Angaben und Belegen nachzuweisen, solange sie nicht evident ist. Der Grundsatz kennt jedoch Ausnahmen. Eine davon kann bei langjährigem Freiheitsentzug zur Anwendung kommen (BGer 6B_578/2020 vom 11.08.2021):

Angesichts des seit Jahren bestehenden Freiheitsentzugs durfte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers grundsätzlich von einer Situation ausgehen, die mit dem Fall eines Sozialhilfebezugs vergleichbar ist. Die Vorinstanz führt freilich Gründe an, weshalb eine seit langem im Freiheitsentzug befindliche Person im Einzelfall dennoch über die Mittel zur Bezahlung der Verfahrenskosten und ihrer Rechtsvertretung verfügen könnte (z.B. vorbestehendes Vermögen). Im Hinblick darauf ist die Behörde befugt – bei entsprechenden Anhaltspunkten gegebenenfalls verpflichtet -, entsprechende Angaben und Belege einzufordern (E. 3.4).

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, weil die Vorinstanz die entsprechenden Angaben und Belege nicht eingefordert, sondern das Gesuch kurzerhand abgewiesen hat:

Dies ist hier aber nicht geschehen. Eine verweigerte Mitwirkung liegt von vornherein nicht vor. Weil der langfristige Freiheitsentzug eine prozessuale Bedürftigkeit grundsätzlich nahelegt, kann unter den gegebenen Umständen auch nicht von einer Säumnis des anwaltlich vertretenen Gesuchstellers ausgegangen werden, die die Behörde zur umgehenden und ungeprüften Ablehnung des Gesuchs berechtigen würde (E. 3.4). 

Das ist übrigens ein Fall, bei dem ich selbst meinem Mandanten wegen Aussichtslosigkeit dringend von der Beschwerde abgeraten hätte; dies in Verletzung meiner Berufspflichten?