Update 2: "Annahme verweigert"
Die Diskussion um die neue solothurnische Staatsanwaltschaft findet heute ihren Weg zurück in die Medien. Heute berichtet das Solothurner Tagblatt über den aktuellen Stand und zitiert aus diesem Weblog. Dazu folgende Klarstellungen:
- „Nicht existent“ – und das war meine einzige Kritik an der neuen Staatsanwaltschaft – ist die Staatsanwaltschaft im Vorverfahren, das sie nach Gesetz ja eigentlich führen muss. Dies war einer der Mängel des alten Systems, der mit der Strafverfolgungsreform behoben werden sollte. Nach den ersten Monaten unter dem neuen Regime ist festzustellen, dass die Untersuchungshandlungen nach wie vor weitgehend der Polizei delegiert oder gar überlassen werden. Dass ich gerade heute die gegenteilige Erfahrung machen durfte, ändert an meinen grundsätzlichen Bedenken nichts, muss aber fairerweise auch erwähnt sein.
- Die fachliche Aufsicht über die Staatsanwaltschaft obliegt den Gerichtsinstanzen, welche deren Verfügungen und Anträge zu prüfen haben (Haftfgericht und Strafkammer des Obergerichts). Dass es für die Verteidigung äusserst schwierig ist, sich gegen die Staatsanwaltschaft durchzusetzen, liegt ja sicher nicht nur daran, dass die Argumente der Staatsanwaltschaft derart überzeugend wären. Telefonkontrollen und Haftanträge werden beispielsweise praktisch ausnahmslos bewilligt, obwohl die entsprechenden Anträge im Vergleich zu anderen Kantonen oft nur rudimentär begründet werden. Nach meiner Auffassung liesse sich die Qualität und damit auch die Effizienz der staatsanwaltlichen Tätigkeit steigern, wenn ihre Anträge und Verfügungen kritischer gewürdigt würden. In dieser Hinsicht kann die politische Aufsicht keinen Beitrag leisten.
Offenbar sind sich derzeit alle darin einig, dass die Staatsanwaltschaft Solothurn nicht so funktioniert, wie sie sollte. Uneinig sind sich jedoch die Kritiker in der Begründung ihrer Kritik. Konrad Jeker sieht die Gerichte in der Verantwortung. Diese – u.a. das Haftgericht – leide an Beisshemmung gegenüber der Staatsanwaltschaft. Demgegenüber argumentiert der Politiker Markus Schneider, die politischen Behörden seien nun gefordert dafür zu sorgen, dass die Zahl der Verhaftungen wieder zunehme. Wo liegt nun eigentlich das Problem ? Gibt es seit dem 1. August zu wenige Verhaftungen, weil das Haftgericht an Beisshemmung leidet ? Oder leiden gar die Staatsanwälte an Beisshemmung gegenüber den Beschuldigten, die eigentlich zu verhaften wären ? Um die Diskussion um die Staatsanwaltschaft noch mehr zu komplizieren, berichtete das Radio32 heute über den Fall eines Beschuldigten, der Strafanzeige gegen einen Staatsanwalt einreichte, weil er sich zu unrecht verhaftet fühlte. Weiter rügte derselbe Beschuldigte das seiner Ansicht nach zu forsche Vorgehen der Staatsanwaltschaft Solothurn anlässlich einer frühmorgendlichen Hausdurchsuchung bei seinem Treuhänder. Zurück zu Markus Schneider. Dieser wirft der Staatsanwaltschaft neben der zu tiefen Verhaftungsquote zu umständliches Vorgehen bei Hausdurchsuchungen vor. Schauen wir nun noch etwas zurück: wurde nicht ein ehemaliger Untersuchungsrichter deshalb nicht zum Staatsanwalt gewählt, weil er zu übereifrig war ? Demgegenüber wird der Staatsanwaltschaft heute vorgeworfen, zu wenig eifrig zu sein. All diese Kritik von verschiedenster Seite mit einander völlig widersprechenden Argumenten erstaunt wohl nicht nur den Fachmann. Erstaunlich ist v.a. auch die Heftigkeit der Kritik gegen die Staatsanwaltschaft und die Publizität, die diese Kritik erreicht. Kann denn eine neue Behörde, die es erst seit 4 Monaten gibt in so kurzer Zeit schon so viel falsch machen ? Oder ist die aktuelle Welle von Kritik von verschiedenster Seite mit einander widersprechenden Argumenten nicht eher der Beweis dafür, dass die Staatsanwaltschaft vielleicht bisher gar nicht so schlecht gearbeitet hat ? Wie auch immer. Es wäre vielleicht besser, wenn man die neuen Staatsanwälte nun einfach mal ihren Job machen lässt und in einem halben Jahr wieder Bilanz zieht. Ich erachte es jedenfalls von der politischen Seite als etwas übereifrig, bereits vier Monate nach der Reorganisation der Strafverfolgung nach der politischen Aufsicht zu rufen. Will man Konrd Jeker glauben, so hat die politische Aufsicht Jahre gebraucht, um die bisherige Strafverfolgung zu reorganisieren. Es ist wohl jetzt noch etwas zu früh für eine Reorganisation der Reorganisation. Und an den Staatsanwälten selbst kann es ja auch nicht liegen. Hat doch die politische Aufsicht das Auswahlverfahren für die Besetzung der neuen Staatsanwaltsstellen mit noch nie dagewesener Gründlichkeit durchgeführt.
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag. Wahrscheinlich haben Sie Recht. Lassen wir die Staatsanwaltschaft einfach einmal ihren Job tun. Genau das habe ich ja aber gefordert und verweise dabei auf den ersten Satz von § 75 des Gerichtsorganisationsgesetzes: „Der Staatsanwalt führt in allen Strafsachen die Untersuchung.“
„Offenbar sind sich derzeit alle darin einig, dass die Staatsanwaltschaft Solothurn nicht so funktioniert, wie sie sollte.
Das hat Zustimmung verdient. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Staatsanwaltschaft bereits so kurz nach der Reform der Strafverfolgung wieder die Zeitungsspalten füllt. Und wenn das RA S.-L. noch keine Anklageschrift erhalten hat (heutige Zeitung), dann stellt man sich schon Fragen. Ich verzichte hier auf die Ergänzung der vorhandenen Berichte durch eigene Erfahrungen. Wo liegt denn nun der Hase im Pfeffer?
Die Probleme liegen kaum bei der Strafverfolgungsreform als Ganzes. Sie liegen kaum bei der Trägheit der Staatsanwälte und auch nicht bei der Justizkommission.
Konrad Jeker hat es bereits angetönt:Führung ist gefragt. Der Oberstaatsanwalt hat die Staatsanwälte zu führen, die Staatsanwälte haben die Strafuntersuchung zu führen, die Polizei hat die Massnahmen auszu-führen und dabei vielleicht auf einige Kompetenzen zu verzichten (geführt zu werden ist auch eine Kompetenz). Und so erhält das Gebilde Strukturen.
Übrigens: Führung heisst das Handeln der Unterstellten auf das Erreichen eines Ziels ausrichten. Und da liegt die Oberverantwortung beim Oberstaatsanwalt. Er hat Probleme zu orten, zu delegieren, Änderungen zu beantragen etc. Er trägt ja auch die Verantwortung und wird dafür angemessen entlöhnt.
Vielleicht ist es tatsächlich so und die Staatsanwaltschaft braucht noch etwas Zeit, bis die Führungskompetenz im Franziskanerhof endgültig Einzug gehalten hat. Man darf hoffen.
lfioptEine Klarstellung die mir wichtig ist: Das Solothurner Tagblatt schrieb in seinem Artikel, wichtig sei mir, dass nun die Verhaftungen wieder zunehmen würden. Sorry, einen solchen Unsinn habe ich weder gesagt noch geschrieben und ich würde so etwas auch nie tun. Das Solothurner Tagblatt verkürzt und verbiegt meine Aussage im Weblog-Kommentar ziemlich fahrlässig. Ich habe geschrieben, dass ‚wichtige Indikatoren darauf hinweisen, dass die neue Behörde mit mehr als nur ‚administrativen Anfangsschwierigkeiten‘ zu kämpfen hat. Es sei denn, man erkläre den signifikanten Rückgang der Verhaftung allein mit der generalpräventiven Wirkung des neuen Modells, was zumindest eine neue originelle Verkaufsidee für dieses neue Modell wäre…‘
Wer mich zitiert, soll sich bitte an meine Originalaussagen halten.