Zu Boden geführt und in Handschellen gelegt
Im Kanton Luzern ist eine Anwältin X. mit Strafbefehl verurteilt worden wegen
- Führens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand,
- Hinderung einer Amtshandlung und
- Parkierens auf der Fahrbahn näher als fünf Meter vor einem Fussgängerstreifen, wo keine Halteverbotslinie angebracht ist.
Liest man allerdings den Sachverhalt wie ihn das Bundesgericht zusammenfasst, muss man sich fragen, ob die Kollegin nicht eher für ihre Argumentation vor Ort und danach bestraft wurde.
Hier der Sachverhalt aus BGer 6B_788/2016 vom 26.10.2016:
Der Personenwagen von X. war am 19. April 2014 um 21.00 Uhr in A. so auf der Fahrbahn parkiert, dass sich eine Polizeipatrouille veranlasst sah, eine Ordnungsbusse auszustellen. Während diesem Vorgang kam X. zu ihrem Fahrzeug zurück und gab sich als Halterin zu erkennen. Beim Gespräch nahmen die Polizisten einen Alkoholgeruch in ihrem Atem wahr. X. weigerte sich, den daraufhin angeordneten Atemalkoholtest durchzuführen. Sie versuchte, sich aus der Kontrolle zu entfernen und leistete aktiv Gegenwehr. Aufgrund dessen wurde X. von der Polizei zu Boden geführt und in Handschellen gelegt. Weil der Atemalkoholtest einen Wert von 0.96 Promille ergab, wurde eine Blutentnahme im Kantonsspital Luzern veranlasst. Deren Auswertung ergab eine relevante minimale Blutalkoholkonzentration von 1.38 Promille (Hervorhebungen durch mich).
Abgesehen vom hervorgehobenen Wort „zurück“ und der ausserordentlich gepflegten Umschreibung einer polizeilichen Gewaltanwendung erscheinen die SVG-Schuldsprüche nicht gerade zwingend. Die Kollegin hatte nämlich – leider offenbar nicht von Anfang an – geltend gemacht, ihr Vater sei gefahren. Das hat ihr aber keine Instanz abgenommen, wahrscheinlich auch deshalb nicht, weil sie einschlägig vorbelastet war.
Die bestätigten Erwägungen der Vorinstanz zeigen, dass die Verurteilung aber weitgehend auf Hörensagen basiert. X. soll sich gegenüber den Polizisten selbst belastet haben. Ob sie vor ihrer Selbstbelastung belehrt wurde, ist dem Entscheid des Bundesgerichts nicht zu entnehmen:
Die Vorinstanz erwägt, die Polizisten B. und C. hätten ausgesagt, sie seien gerade dabei gewesen, eine Ordnungsbusse auszustellen, als die Beschwerdeführerin hinzugekommen sei. Beide hätten die Äusserungen der Beschwerdeführerin am Tatort so verstanden, dass sie das Fahrzeug soeben (selber) dort abgestellt habe und es sogleich wegfahren werde. Es sei schlechterdings unverständlich, dass die Beschwerdeführerin, die als Anwältin tätig sei und bereits ein Verfahren wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand hinter sich habe, nicht spätestens nach der Anordnung des Atemalkoholtests mit aller Klarheit zum Ausdruck gebracht habe, nicht sie, sondern ihr Vater sei gefahren. Es sei offensichtlich, dass eine beschuldigte Person, die gar nicht gefahren sei, als Erstes und mit aller Bestimmtheit genau dies vorbringen würde. Hätte die Beschwerdeführerin bereits dann gesagt, dass ihr Vater gefahren sei, hätte sich der Alkoholtest erübrigt. Stattdessen habe die Beschwerdeführerin versucht, sich der Kontrolle durch Flucht zu entziehen. Dieses Verhalten deute darauf hin, dass die Aussagen, wonach ihr Vater das Fahrzeug gelenkt habe, nachträglich abgesprochen worden seien und nicht den Tatsachen entsprächen. Diese Schlussfolgerung werde auch durch die Aussagen des Polizisten D. gestützt. Nachdem die Beschwerdeführerin eingeholt und zu Boden geführt worden sei, sei Verstärkung eingetroffen. Die Beschwerdeführerin sei auf eine Bank gesetzt worden. Während dieser Phase sei sie vom neu hinzugekommenen Polizisten D. betreut worden. Auch diesem gegenüber habe sie gesagt, sie habe nur kurz das Auto parkiert, um die Hunde bei den Eltern abzuholen. Jedenfalls habe auch D. die Beschwerdeführerin so verstanden, dass sie das Fahrzeug gelenkt hatte. Schliesslich habe sich selbst die Mutter der Beschwerdeführerin, welche durch den Lärm auf das Geschehen aufmerksam geworden sei, noch während der Kontrolle gegenüber den Polizisten dahingehend geäussert, dass sie den Alkoholkonsum ihrer Tochter als Grund für die Kontrolle vermute (E. 1.2).
Die Zeugen haben sich übrigens nicht abgesprochen:
Hingegen kann allein aus der Tatsache, dass die Einvernahmen der Polizisten erst einige Monate nach dem Vorfall stattfanden, nicht abgeleitet werden, dass deren Aussagen falsch sind. Daran ändert auch nichts, dass einer der Polizisten angab, vor der Einvernahme den Polizeirapport nochmals konsultiert zu haben. Schliesslich liegen keine konkreten Anzeichen vor, welche auf eine Absprache zwischen den Polizisten hindeuten würden. Allein der Umstand, dass diese inhaltlich übereinstimmende Aussagen machten, lässt einen solchen Schluss ebenfalls nicht zu (E. 1.4).
Dass Polizisten in Aussageverhalten vor Gericht ausgebildet werden, wurde offenbar nicht geltend gemacht.