Umfassend haftender Architekt

Das Obergericht des Kantons Solothurn hat einen Architekten wegen fahrlässige Körperverletzung und Gefährdung durch fahrlässige Verletzung der Regeln der Baukunde verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, für den Sturz eines Bauarbeiters aus fünf Metern Höhe (Verletzungen an den Füssen) verantwortlich zu sein, weil er kein Baugerüst aufstellen liess. Das Bundesgericht bestätigt den Entscheid (BGer 6B_566/2011 vom 13.03.2012) und damit neben der strafrechtlichen auch die zivilrechtliche Haftung des Architekten.

Zur Garantenstellung des Architekten:

Art. 229 StGB statuiert im Ergebnis eine Garantenstellung aus Ingerenz, indem er Personen, die im Rahmen der Leitung oder Ausführung von Bauwerken Gefahren schaffen, anhält, für ihren Verantwortungsbereich die Sicherheitsregeln einzuhalten (…). Ob Art. 104 der SIA-Norm 118 eine vertragliche Garantenstellung des Beschwerdeführers begründet, kann deshalb offenbleiben (E. 2.4.1).

Zu beachten immerhin:

Aus der Bauarbeitenverordnung und der Verordnung über die Unfallverhütung lässt sich keine Garantenstellung des bauleitenden Architekten gegenüber Personen ableiten, die nicht Arbeitnehmer sind und nicht in einem Subordinationsverhältnis zu ihm stehen (Urteil 6P.121/2006 vom 7. Dezember 2006 E. 2.4). Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Bauleitung die genannten Vorschriften nicht beachten muss (Urteil 6B_437/2008 vom 24. Juli 2009 E. 5.7.1) [E. 2.4.2].

Zum Verhängnis wurde dem Architekten die Mitverantwortung als Bauleiter. Seine Offerte beinhaltete eine Position “Gerüst”. Zudem hat er es dabei belassen, auf offenbar wahrgenommene Sicherheitsmängel hinzuweisen, obwohl er deren Behebung hätte durchsetzen müssen:

Die Arbeiten in der Höhe am Morgen des 9. Juni 2006 durften ohne Fassadengerüst nicht ausgeführt werden (Art. 18 BauAV). Der Beschwerdeführer unterliess es entgegen Art. 3 Abs. 1 BauAV, die Bauarbeiten fachmännisch zu planen und rechtzeitig für den Aufbau eines Gerüsts besorgt zu sein. Er betraute damit vor Baubeginn weder die B. GmbH noch weitere Dritte, obwohl er die Bauleitung innehatte und das Gerüst Teil seines Aufgabenkreises war. Er ordnete demnach die gebotenen Sicherheitsvorkehrungen nicht an und hielt das Unfallrisiko nicht möglichst klein.

Zudem sah er davon ab, geeignete Vorkehrungen zu treffen, als die Handwerker in seiner Gegenwart bereits in einer Höhe arbeiteten, welche ein Fassadengerüst vorausgesetzt hätte. Dass die Handwerker nicht ihm, sondern der B. GmbH unterstellt waren (…), vermag ihn nicht zu entlasten. Er stellte eine Verletzung elementarer Sicherheitsvorschriften respektive eine Gefahr für die Handwerker fest, ohne adäquat einzugreifen und die gebotenen Massnahmen unverzüglich vor Ort zu treffen. Auch dadurch verletzte er seine Sorgfaltspflichten. Der blosse Hinweis auf die Gefahr anstelle der Durchsetzung von Sicherungsmassnahmen genügt nicht (ROELLI/FLEISCHANDERL, a.a.O., N. 8 zu Art. 229 StGB) [E. 2.5.2, Hervorhebungen durch mich].

Die Verteidigung scheiterte hier wohl bereits bei der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, der in wesentlichen Punkten umstritten war. Die entsprechenden Rügen erledigt das Bundesgericht mit dem Holzhammer der appellatorischen Kritik.