Aktenretention als Nötigung?

Wer als Beauftragter die Akten nur nach vollständiger Bezahlung des geltend gemachten Honorars herausgeben will, könnte sich der Nötigung oder des Nötigungsversuchs strafbar machen. Das Obergericht NW hat einen Buchhalter deshalb wegen versuchter Nötigung verurteilt. Das Bundesgericht kassiert, weil die Erwägungen, die zur Verurteilung geführt haben, nicht hinreichend sind (BGer 6B_1327/2019 vom 26.08.2020). Es war nicht klar, was die Parteien rechtswirksam vereinbart hatten:

Die vorinstanzliche Erwägung, hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Vergütung habe Uneinigkeit bestanden, womit es an einem “objektiv notwendigen Konsens” über den Mindestinhalt des Vertrages fehle, ist nicht nachvollziehbar und genügt den Begründungsanforderungen gemäss Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG nicht, weshalb der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Erachtet die Vorinstanz eine tatsächliche Willensübereinstimmung betreffend die Höhe der Vergütung als nicht bewiesen, muss sie eine Vertragsauslegung nach dem Vertrauensprinzip vornehmen und prüfen, ob zwischen dem Beschwerdeführer und der C.. AG stattdessen ein normativer Konsens bestand. Ihre Erwägung, “Geld gegen Unterlagen” reiche für eine gültige Vereinbarung eines obligatorischen Retentionsrechts nicht aus, entbindet die Vorinstanz nicht von einer entsprechenden Vertragsauslegung. Ein tatsächlicher oder normativer Konsens ist getrennt von den Gültigkeitsvoraussetzungen eines obligatorischen Retentionsrechts zu prüfen. Ob die Höhe der auftragsrechtlichen Vergütung resp. zu sichernden Forderung Gültigkeitsvoraussetzung eines Retentionsrechts ist, betrifft eine rein zivilrechtliche Frage und beschlägt den vorliegend für die Strafbarkeit entscheidenden Konsens über die Grundzüge eines Zurückbehaltungsrechts nicht. Da es dem Bundesgericht nicht zusteht, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen und deren Aufgabe nachzukommen, wird diese das Wissen und Wollen sowohl des Beschwerdeführers als auch von D. sowie die gesamten weiteren Umstände in Bezug auf das allfällige Retentionsrecht feststellen müssen (E. 1.4).