Ausgleich der unterbliebenen Konfrontation
Nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts (BGer 6B_203/2024 vom 14.08.2025, Fünferbesetzung) kann die Verletzung des Konfrontationsanspruchs ausgeglichen werden:
Hinsichtlich der ausgleichenden Faktoren erwägt die Vorinstanz, die Betreuungspersonen hätten ihre Wahrnehmungen schriftlich festgehalten und seien parteiöffentlich befragt worden. Dem Beschwerdeführer sei es dadurch möglich gewesen, die Aussagen der Betreuungspersonen konfrontativ auf die Probe zu stellen. Näheres zum vorgeworfenen Sachverhalt auszusagen sei zwar nur die Beschwerdegegnerin 2 in der Lage gewesen. Bei der Konfrontation der Kindergartenlehrerin und der Betreuungspersonen handle es sich jedoch um ein starkes ausgleichendes Element. Diese Aussagen hätten es dem Gericht erlaubt, die Entstehungsgeschichte und den Kontext der Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 zu beurteilen und dadurch die Glaubhaftigkeit vertieft und sorgfältig zu prüfen. Der Beschwerdeführer habe dadurch Gelegenheit erhalten, zu den belastenden Aussagen Stellung zu nehmen. Zudem würden weitere Beweismittel (u.a. Beobachtungen der befragenden Fachpersonen und Betreuungspersonen, Wahrnehmungsbericht der Polizei, etc.) bestehen, die eine sorgfältige Einordnung der nicht konfrontierten Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 erlaubten. Damit seien selbst vor dem Hintergrund, dass die belastenden Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 von massgeblicher Bedeutung seien, genügend ausgleichende Elemente vorhanden, die es der Verteidigung erlaubten, die durch die fehlende Konfrontation verursachten Schwierigkeiten auszugleichen und auf diese Weise die Fairness des gesamten Verfahrens zu gewährleisten.
Den vorinstanzlichen Erwägungen ist zu folgen. Massgeblich ist, dass der Beschwerdeführer zu den belastenden Aussagen hinreichend Stellung nehmen konnte, die Aussagen sorgfältig geprüft wurden und sich der Schuldspruch nicht allein auf die dokumentierten Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 stützte. Damit lagen ausgleichende Faktoren vor, die es dem Beschwerdeführer trotz der unterbliebenen Konfrontation erlaubten, die Belastbarkeit der strittigen Aussagen auf die Probe zu stellen. Das Recht auf ein faires Verfahren ist durch die fehlende Konfrontation der Beschwerdegegnerin 2 nicht verletzt worden (E. 2.5).
Damit reicht es ja eigentlich, wenn man indirekte Zeugen (Hörensagen) konfrontieren kann. Das hat mit dem Konfrontationsanspruch, der aus Tora/Bibel abzuleiten ist, nichts mehr zu tun.
Damit folgt das BGer einfach dem EGMR, siehe Al-Khawaja und Tahery ./. Vereinigtes Königreich (2011).
Das EGMR erklärte darin, dass der „Konfrontationsanspruch“ nicht absolut sei.
– Es gibt einen ernsthaften Grund: Der Schutz des Kindeswohls ist ein solcher anerkannter Grund, um auf eine direkte Konfrontation zu verzichten (z.B. Tod, Angst, Schutzbedürftigkeit).
– Die Aussage ist nicht die alleinige Grundlage: Der Schuldspruch darf nicht ausschliesslich oder in entscheidendem Masse auf der nicht-konfrontierten Aussage beruhen.
– Es gibt ausreichende ausgleichende Faktoren („Kompensation“): Dem Gericht und der Verteidigung müssen andere, wirksame Wege zur Verfügung stehen, um die Zuverlässigkeit der belastenden Aussage zu überprüfen.
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Die „Konfliktsituation“ zwischen dem Schutz von Kindern (Art. 154 StPO) und dem Konfrontationsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV > Art. 147 Abs. 1 StPO) ist ja „nur“ für den Beschuldigten nachteilig, aber sein Verteidiger dürfte ja trotzdem die Aussagen des Kindes konfrontieren, oder?
Der Ausschluss gilt nicht für die Verteidigung; es sind jedoch geeignete Schutzmassnahmen zu treffen, um eine schwere psychische Belastung des Kindes zu vermeiden. Art. 154 Abs. 6 StPO
Vielen Dank.
In diesem spezifischen Fall wird ein Unschuldiger verurteilt und sein Schicksal somit besiegelt. Eine fachlich hochqualifizierte Verteidigung wäre erforderlich gewesen, um Recht einzufordern. Bei diesem Thema, sind allerdings die einschlägigen Narrative und die prägende gesellschaftliche Staatsräson von Anfang an gesetzt gewesen. Leider wird hier mit Menschenleben gespielt. PZ