Baselbieter Wortklauberei
Die Strafbehörden des Kantons Basel-Landschaft haben ein Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das SVG mit Kostenfolgen zu Lasten der beschuldigten Person eingestellt. Das Bundesgericht kassiert den Entscheid des Kantonsgerichts, das zum Ergebnis gelangte, die Staatsanwaltschaft habe die Unschuldsvermutung verletzt (BGer 6B_229/2013 vom 04.07.2013). Dennoch sei der Kostenentscheid der Staatsanwaltschaft im Ergebnis richtig. Verletzt seien nämlich allgemeine Verhaltensnormen im Strassenverkehr. Dass die Verletzung dieser Normen strafbar ist, hat das Kantonsgericht nicht bedacht. Sie dachte wohl, wenn man Verkehrsregeln als allgemeine Verhaltensnormen bezeichnet, sei der Weg zur Kostenauflage frei. Weit gefehlt:
Die Vorinstanz begründet die Kostenauflage mit „allgemeinen Verhaltensnormen“ im Strassenverkehr und erwähnt insbesondere Art. 31 SVG (Beherrschen des Fahrzeugs), Art. 3 Abs. 1 VRV (Bedienung des Fahrzeugs) sowie Art. 4 Abs. 1 VRV (angemessene Geschwindigkeit). Diese Vorschriften mögen allgemeine Verhaltensnormen sein, sie stellen jedoch gleichzeitig Verkehrsregeln dar, deren Verletzung durch Art. 90 SVG strafrechtlich zu ahnden ist. Kommt die Vorinstanz zum Schluss, das Verfahren sei rechtmässig nach Art. 319 lit. e StPO in Verbindung mit Art. 52 StGB eingestellt worden, kann sie dieselben Strafnormen, die zu keiner Verurteilung geführt haben, nicht zur Begründung einer Sorgfaltspflichtverletzung des Beschuldigten heranziehen. Das Bundesgericht verlangt vielmehr, dass der Beschuldigte die Verhaltensnorm klar verletzt und dadurch das Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat. Vorliegend führte die geringfügige Verletzung der Verkehrsregeln jedoch gerade dazu, dass die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren einstellte (E. 1.4).
Solche Entscheide begründen den Verdacht, dass die Justiz einem enormen Kostendruck ausgesetzt sein muss, wenn sie jede auch noch so entfernte Möglichkeit heranzieht, um die Staatsfinanzen zu entlasten.
U.a. aus diesem Grund plädiere ich für fremde Richter. Die müssen ja nicht gleich in Luxemburg sitzen, aber etwas mehr Distanz würde der richterlichen Unabhängigkeit bestimmt nicht schaden.
Es mag zutreffen, dass die Behörden unter einem gewissen Kostendruck stehen. Aus den allgemeinen Erwägungen des Bundesgerichts zu den Voraussetzungen der Kostenauflage wird man aber nach wie vor nicht besonders schlau (E. 1.3). Das birgt Rechtsunsicherheiten für die Betroffenen und die Behörden.
Auch eine geringfügige Verletzung der Verkehrsregeln ist eine Verletzung einer Verhaltensnorm. Ob die Verletzung geringfügig oder grösser war, lässt sich in der Regel erst nach Eröffnung der Strafuntersuchung sagen. Insofern hat die geringfügige Verletzung – selbst wenn sie nicht strafbar sein soll – die Eröffnung verursacht. Das wiederum wäre mit den allgemeinen Ausführungen des BGer. vereinbar (?). Präzisere Abgrenzungskriterien zur Frage der Kostenauflage wären wünschenswert.
Im SVG-Bereicht erscheint es mir klar. Weil jede Verletzung einer Verkehrsregel strafbar ist, kann bei Freispruch keine Kostenauflage erfolgen.
Es ist in vielen Bereichen des Verwaltungsrechts so, sonst würde jeweils gar nicht eine Strafuntersuchung anhand genommen. Die Abgrenzungskriterien sind eben gerade deshalb wenig brauchbar in der Praxis.