Bern und das lästige Anklageprinzip

Die bernische Justiz hatte sich einem neuen Urteil des Bundesgerichts zufolge mit folgendem Sachverhalt zu befassen (BGer 6B_1399/2016 vom 03.10.2017):

Um einen vor ihm auf der einspurigen und richtungsgetrennten Autostrasse fahrenden Personenwagen zu überholen, fuhr [X.] auf den Rastplatz Därligen. Bei der Ausfahrt des Rastplatzes verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug und schleuderte quer über die Autostrasse. Dabei durchbrach er die Mittelleitplanke und kam auf der Gegenfahrbahn zum Stillstand. A., der zu diesem Zeitpunkt dort fuhr, konnte eine Kollision nicht mehr vermeiden.

Das Obergericht subsumierte den Sachverhalt unter Art. 90 Abs. 3 SVG (“Raser-Artikel”). Das Bundesgericht korrigiert aus prozessualen Gründen: Die Anklage war für die Anwendung von Art. 90 Abs. 3 SVG ungenügend:

Ein blindes Befahren des Rastplatzes mit relativ hoher Geschwindigkeit wäre prinzipiell geeignet, den Tatbestand der in Art. 90 Abs. 3 SVG enthaltenen Generalklausel zu erfüllen. Dazu, was der Beschwerdeführer beim Fahren auf den Rastplatz konkret und ab welchem Zeitpunkt sehen konnte, trifft die Vorinstanz im angefochtenen Urteil aber keine Feststellungen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Vorinstanz selbst weichen in ihren Stellungnahmen von den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ab, was unzulässig ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Überdies enthält die Anklageschrift vom 24. Juni 2014 (kantonale Akten, act. 114 f.) diesbezüglich keine Angaben, weshalb ein Schuldspruch gemäss Art. 90 Abs. 3 SVG aufgrund schlechter Sichtverhältnisse von vornherein ausgeschlossen ist. Der Tatbestand von Art. 90 Abs. 3 SVG ist nicht erfüllt (E. 1.3.6).

Das Bundesgericht weist an die Vorinstanz und diese wird erfahrungsgemäss ebenfalls zurückweisen, bis dann eine neue Anklageschrift erstellt ist, die das gewünschte Ergebnis ermöglicht. Das war zwar nicht die Idee des Strafprozessrechts, aber der gesunde Menschenverstand steht bekanntlich weit über dem Recht.