„Civil forfeiture“ oder die Strafbarkeit der Dinge
Nicht zum ersten Mal mache ich hier auf die Problematik der Sicherungseinziehung (Art. 69 StGB) aufmerksam (vgl. meine früheren Beiträge hier und hier). In den USA ist „civil forfeiture“ eine Art Sicherungseinziehung, die mitunter als Strafbarkeit der Dinge bezeichnet wird und als Finanzierungsinstrument für Strafverfolgungsbehörden dient (dazu ein fantastischer Weiterbildungsbeitrag bei „Last week tonite with John Oliver„). Wie Einziehung ohne Strafverfahren in der Schweiz funktioniert, demonstriert ein neuer Bundesgerichtsentscheid (BGer 6B_217/2021 vom 26.05.2021), der heute, also zwei Monate nach dem Urteilsdatum in ausserordentlicher Dreierbesetzung ins Netz gestellt wurde. Im Ergebnis wurde die Beschwerde als von Vornherein aussichtslos abgewiesen.
Eigentlich müsste ich den ganzen Entscheid hier einfach reinkopieren. Aber er ist derart bizarr, dass ich nur anregen kann, ihn über den Link oben vom merkwürdigen Anfang (Besetzung des Gerichts) bis zum bitteren Ende (Aussichtslosigkeit) durchzulesen und sich dabei etwa vorzustellen, was John Oliver daraus und aus dem offenbar entscheidrelevanten „Geheimversteck“ (nein, kein blosses Versteck, sondern ein geheimes) machen würde, das im eingezogenen Auto eingebaut war.
Und weil ich es doch nicht ganz lassen kann, zitiere ich wenigstens aus dem Sachverhalt, denn vielleicht war dem Obergericht BE auch nicht ganz wohl beim Umstand, dass es rund um das eingezogene Fahrzeug mit Geheimversteck einfach keine Straftat geben wollte:
In der Folge erstattete das Obergericht bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen Strafanzeige gegen A. wegen Widerhandlungen gegen das Waffengesetz und das Betäubungsmittelgesetz. Das Beschwerdeverfahren wurde sistiert, bis die Staatsanwaltschaft am 23. Dezember 2020 mitteilte, dass sie die Strafanzeige mittels Nichtanhandnahme erledige, weshalb am beschlagnahmten Personenwagen kein Bedarf bestehe.
Ich denke nicht, dass jemand sonst hier im Forum ein geräumiges, stark betäubungsmittelkontaminiertes Versteck zwischen Rücksitz und Kofferraum im Fahrzeug hat, wo sich die Verriegelung mittels Fernbedienung (!) steuern lässt. Und dieser Freund in Mannheim, dessen Namen nicht genannt werden soll (damit man der Spur nicht nachgehen kann), ist auch nicht vertrauenserweckend. Empörung über die Einziehung? Echt jetzt?
@Anonymous: Ich bin nicht empört. Ich finde den Entscheid falsch.
Wer heute kein Versteck hat, ist Selbst Schuld die ausufernden staatlichen Begehrlichkeiten bei 0,00 Sicherheiten, man muss nur mal daran denken das die AHV als Ponzisystem (echtes Schneeballsystem) im Jahr 2045 Geldlos sein wird, schön für alle mit Jahrgang 1980 und jünger. Gleichzeitig druckt die Nationalbank wie die Wahnsinnigen um zwei Wirtschaftszweige zu retten die gerade mal für 5% des BiP Verwantwortlich sind, das ist etwa gleich intelligent wie die ganze Wirtschaft zu stoppen um die 84.5 Jährigen zu retten, aber klar wie können uns das leisten, es hat ja niemand heute schon Probleme seine KLK zu zahlen. Wer heute dem Staat gegenüber noch ehrlich ist dem Fehlts aber defitig im Oberstübchen….man muss ja nur mal hier mitlesen….
Insofern, natürlich haben viele heute Verstecke, ggf nicht elektronisch verschlossen, BTMG kontaminiert, aber wer keines hat ist wohl Intelligentsklasse StA (mit 3 Versuchen als RA ?)
Wer sein Geld, sein Gold oder auch Drogen in die Schweiz bringt ist selber nicht zu helfen. Es gibt ein Dutzend Länder welches einen besseren Vermögensschutz garantieren. Nur weil man ein Versteck im KFZ hat und dort Drogenspuren sind, der Besitzer wohl ausländische nicht schweizerische Namen trägt, sind lange kein Grund der Einzug.
Als Laie kann ich die Ausführungen des Bundesgerichts nachvollziehen.
Ob der Eingriff in die Eigentumsrechte ohne Ausrichtung einer Entschädigung und aufbrummen der gesamten Verfahrenskosten rechtlich haltbar ist, ist zu beweifeln weil es letztendlich auf eine Verdachtsstrafe hinaus läuft.
Spuren von Kokain beim Fahrer, im Fahrzeug und im Geheimversteck. Zurücklegen grosser Distanzen innert kurzer Zeit ohne dies zu erklären. Es fehlen wichtige Details, z.B. was für ein Fahrzeug es handelt ob der Fahrer aus dem Balkan, Türkei etc. stammt oder sonstwie in Verbindung zu krimminellen Organisationen stehen könnte ob dieser allenfalls in den Polizeiakten registriert ist, dann liegt nur der Schluss nahe, dass der Fahrer selbst Kontakte zu Drogenschmugglern hat.
Ich habe den Verdacht mit dem Auto wurden sowohl Drogen geschmuggelt wie Menschenhandel betrieben wobei der Fahrer das letztere wissentlich getan hat und das erstere wurde ohne sein Wissen von seinen „Kollegen“ getan oder früher getan. Um dies zu beurteilen müsste man mehr aus dem Umfeld des Fahrers wissen er hat sich jedoch von der Verhandlung dispensieren lassen das heisst er wollte unangenehmen Fragen ausweichen. Das Gericht war auch nicht erpicht darauf tiefer zu wühlen darum wurde die Dispensation gewährt.
Fakt ist, es konnte dem Fahrer kein strafbares Verhalten nachgewiesen werden. Es ist somit eine Verdachtsstrafe, die allenfalls die EMRK verletzten könnte.
„[…] ob der Fahrer aus dem Balkan, Türkei etc. stammt oder sonstwie in Verbindung zu kriminellen Organisationen steht […]“
Solche Aussagen finde ich nicht nur bedauerlich, sondern extrem bedenklich. Insbesondere das Wort „sonstwie“ impliziert, dass hier die Auffassung vertreten wird, dass Personen aus dem Balkan oder der Türkei per se schon Kontakt zu kriminellen Organisationen hätten. In meiner Tätigkeit als Strafverteidigerin sehe ich ständig, wie ausländische Personen diskriminiert werden. Schon bei einer Kleinigkeit fahren die Staatsanwaltschaften gegen Ausländer mit dem ganzen schweren Geschütz auf (U-Haft, Beschlagnahme, Mobiltelefonauswetung, DNA-Profil etc.), wobei Schweizer, bei denen Verdachtsmomente für erheblichere Straftaten bestehen, mit Samthandschuhen angefasst werden… Es scheint, als wäre das Interesse grösser, einen Sans-Papier für einen rechtswidrigen Aufenthalt für Monate wegzusperren, als einem gross angelegten Betrug durch einen Schweizer Geschäftsinhaber nachzugehen. Und solche Kommentare schüren bloss das Feindbild der „bösen Ausländer aus dem Osten“.
(Ich sage das übrigens als Schweizerin,)
Blödsinn, ich bin 100% Schweizer und hatte schon 4 Hausdurchsuchungen war schon 3 Wochen in Haft und wurde bisher für nichts als Übertretungen verurteilt….
Hmm, interessant… ihre persönlichen Erlebnisse heben demnach meine jahrelange Erfahrung vieler Fälle mit Personen verschiedenster Nationalitäten auf? Ich behaupte im Übrigen nicht, dass gegen Schweizer nie Verfahren eingeleitet und Zwangsmassnahmen erhoben werden, sondern es geht um das Gesamtbild und die entsprechend beobachtete Unausgewogenheit. Erst kürzlich meinte ein ZMG-Richter: „Es geht beim Beschuldigten nicht um einen von hier. Er hat überhaupt keinen Grund, in unserer Region zu sein.“ (Es ging wohlgemerkt nicht um rechtswidrigen Aufenthalt).
Ich kenne Ihren Fall nicht, aber 3 Wochen Untersuchungshaft sind im Vergleich kurz. Grundsätzlich fällt sie bei Ausländern wegen „Fluchtgefahr“ bereits länger aus. Wurde Ihr Mobiltelefon mit sämtlichen persönlichen Daten auch ausgewertet und ein DNA-Profil erstellt?
Doch sei‘s drum. Mir ging es vor allem um die Formulierung im 1. Kommentar, dass die Nationalität ausschlaggebend dafür sein soll, ob der Beschwerdeführer Drogendealer sei oder er „sonstwie“ (sprich nicht aufgrund einer östlichen Nationalität) mit kriminellen Organisationen in Kontakt steht.
Ja natürlich werden regelmässig DNA Profile erstellt die dann wieder gelöscht werden, Mobiltelefone….schön wäre es wenn…wegen 40 Hanfplanzen wurden zuletzt alle mein PCs beschlagnahmt unf befinden sich nun im Entsiegelungsverfahren, alle die ich auch für meine Selbständige Erwerbstätigkeit benötige…
Nein natürlich hebt meine Individuelle Erfahrung Ihre vielzahl nicht auf, aber ich wollte dagegen oportunieren das solche völlig unverhältnissmässigen Zwangsmassnahmen nur Ausländer betreffen würden. Dem ist nicht so, als Kiffer ist man Gesellschaftlich patktisvh in der gleichen Kaste wie Ausländer….
Herr Kollege Jeker, ich mag Ihren Blog sehr und lese jeden Ihrer Beiträge mit Interesse. Ihre nahezu hysterische Behördenkritik geht in manchen Fällen, so wie auch hier, etwas gar weit. Ich weiss bei bestem Willen nicht, weshalb der Entscheid inhaltlich und im Ergebnis zu Kritik Anlass geben sollte. Gewisse Formulierungen mögen ungünstig oder gar falsch sein in meinen Augen, aber dennoch passt der Entscheid in seinen Erwägungen im Resultat gesamthaft. Es geht um einen OFFENSICHTLICHEN (!) Drogentransporter, welcher der Staat eingezogen hat, um künftige Drogentransporte zu erschweren. Was zum Himmelswillen soll dabei nicht korrekt sein?
@HP Seipp: Danke für Ihr Interesse und ihre Kommentare. Hysterische Behördenkritik betreibe ich eigentlich nicht. Ich halte den Entscheid für juristisch falsch und ich kommentiere natürlich oft gerade die aus meiner Sicht kritisch Entscheide. Die Justiz braucht m.E. nicht primär Lob, sondern Kritik. Im vorliegenden Fall ist es gut möglich, dass es sich um einen Drogentransporter handelte (offensichtlich ist es bestimmt nicht). Das heisst aber noch lange nicht, dass er dem Eigentümer einfach weggenommen und verwertet werden darf. Art. 69 StGB lese und verstehe ich anders als das Bundesgericht. Und dabei befinde ich mich in bester Gesellschaft. Aber vielleicht sehe ich das falsch und das Auto gefährdet aufgrund des eingebauten Geheimverstecks wirklich die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung.
@kj: Also wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie der Auffassung, dass das Auto aufgrund des eingebauten Geheimverstecks, welches offensichtlich (davon darf man bei diesem Sachverhalt ohne Weiteres davon ausgehen) dem Drogentransport dient, keine Gefahr für die Sicherheit von Menschen, der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung darstellt.
Das Geheimversteck dient somit dem Transport/Einfuhr/Lagern etc. von Betäubungsmitteln, und ist nun halt mal verboten. Wir können gerne darüber diskutieren, ob man nicht gleich das ganze BetmG aufheben sollte (oder zumindest die Strafbestimmungen) – hier hätten Sie meine volle Unterstützung. Solange es aber geltendes Recht ist, gilt es dieses auch zu vollziehen.
Bei der Einziehung erwächst dem Eigentümer eigentlich auch kein nachteil, da er den Verwertungserlös, nach Abzug der Kosten, ja zurückerhält. Oder er baut das Geheimversteck aus, setzt es also in den legalen Zustand (so wie dies ja bei allen Fahrzeugen gemacht werden muss, die nicht vorschriftsgemäss sind, z.B. Tuner-Autos), und er hält dann das Fz zurück. Problem gelöst, oder?
@HP Seipp: Ist es illegal, ein „Geheimversteck“ in ein Auto einzubauen? Wie wäre es mit einem nicht geheimen Versteck? Wieso genau darf man davon ausgehen, dass das Auto dem Drogentransport dient? Wieso soll das offensichtlich sein? Aber selbst wenn: ich finde den Entscheid RECHTLICH falsch.
Ein “nicht geheimes Versteck”? Tönt nach einem Oxymoron. Schlussendlich läuft es auf die gleiche Diskussion, warum man z.B. eine Hanfmühle einziehen darf: Selbstverständlich könnte man mit der Hanfmühle auch Thymian, Rosmarin oder Oregano für die abendliche Pasta mahlen… doch diese Annahme liegt einfach fernab von jeglicher Realität und existiert nur in der kreativen Schöpfung einiger Strafverteidiger.
@HP Seipp: Und was bist Du? Richter? Staatsanwalt? Philosoph? Drogenhändler?
@HP
Warum verbietet man dann nicht direkt den Verkauf ? Es ist doch schon etwas Shizophrenz vom Rechtstaat das man eine Hanfmühle oder eine Growlampe kaufen darf, Sie dann aber stets eingezogen wird, wenn Sie festgestellt wird, wie etwas die Sitte oder Ordnung gefährden kann das JEDERMANN anschliessend wieder völlig legal kaufen kann, das müssen Sie mir nun aber erklären ?
Und genau darauf läuft auch die Disskussion mit dem Versteck hinaus. Ich darf mir ein Versteck ins Auto einbauen, das ist absolut legal. Sobald aber auf irgendwelche weise dieses Versteck oder mein Auto mit Drogenspuren kontaminiert wurden, muss mein ganzes Auto eingezogen werden, obwohl ich anschliessend wieder eines kaufen kann mir wiederum ein Versteck einbauen kann, ohne das dies Strafbar wäre.
Trotzdem muss ich anschliessend mit einer Enteignung rechnen….
Ein „nicht geheimes Versteck“? Tönt nach einem Oxymoron.
Schlussendlich läuft es auf die gleiche Diskussion, warum man z.B. eine Hanfmühle einziehen darf: Selbstverständlich könnte man mit der Hanfmühle auch Thymian, Rosmarin oder Oregano für die abendliche Pasta mahlen… doch diese Annahme liegt einfach fernab von jeglicher Realität und existiert nur in der kreativen Schöpfung einiger Strafverteidiger.
@ Alle
Ich bin dafür das sie mal von der Justiz eine Statistik fordern über die Hausdurchsuchung.
Im Jahre 2021 wurde laut unserem Justizministerium 988 Hausdurchsuchungen getätigt. Wir haben etwa 2.8 Millionen Einwohner im Land.
Gefühlt haben Sie sehr viel mehr.