Die Justiz und das Geld der anderen

Ich habe hier schon mehrfach darauf hingewiesen, wie sehr sich Richter und Staatsanwälte um die Staatsfinanzen kümmern (insb. wenn es nicht die selbst verursachten Kosten betrifft). Das Gesetz stellt ihnen mit der Kostendeckungsbeschlagnahme ein Mittel zur Verfügung, das ihnen ermöglicht, Vermögenswerte zu beschlagnahmen, die mit den zu untersuchenden Delikten nichts zu tun haben. Damit kann im Prinzip jeder Beschuldigte finanziell ruiniert werden, und zwar lange bevor überhaupt über seine Schuld oder Unschuld entschieden wird.

Für ein besonders stossendes Beispiel hat jüngst der Präsident der Strafabteilung des Obergerichts NW gesorgt, bei dem eine Berufung hängig war. Der Beschuldigte, der sich im vorzeitigen Strafvollzug befindet, verfügte auf seinem Sperrkonto über CHF 4,000.00, die ihm die Gefängnisleitung zur Auszahlung an Dritte übergeben hatte. Diesen Betrag hat der Präsident zur Sicherstellung der Verfahrenskosten beschlagnahmt. Er hat die seine rechtswidrige Rechnung aber ohne das Bundesgericht gemacht (BGer 1B_82/2019 vom 30.07.2019). In seinem Entscheid erklärt das Bundesgericht nicht nur die Rechtslage, sondern auch wieso diese sinnvoll sei:

Art. 92 SchKG nennt die unpfändbaren Vermögenswerte. Nach dessen Absatz 4 bleiben unter anderem vorbehalten die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Strafgesetzbuches. Art. 92 Abs. 4 SchKG verweist insoweit ausdrücklich auf aArt. 378 Abs. 2 StGB. Diese Bestimmung betrifft den Verdienstanteil (heute: Arbeitsentgelt). Gemäss aArt. 378 Abs. 2 StGB dürfen das Guthaben aus Verdienstanteil sowie die auf Rechnung des Guthabens ausbezahlten Beträge weder gepfändet noch mit Arrest belegt noch in eine Konkursmasse einbezogen werden. Jede Abtretung oder Verpfändung des Guthabens aus Verdienstanteil ist nichtig. Diese Bestimmung findet sich heute in Art. 83 Abs. 2 StGB. Das Arbeitsentgelt ist danach unpfändbar (…). Die von der Vorinstanz angeordnete Beschlagnahme ist somit gemäss Art. 268 Abs. 3 StPO i.V.m. Art. 92 Abs. 4 SchKG und Art. 83 Abs. 2 StGB unzulässig. 
Die Unpfändbarkeit des Arbeitsentgelts hat ihren Sinn. Die meisten Strafgefangenen sind überschuldet. Wäre das Arbeitsentgelt pfändbar, würde das ihre Arbeitsmotivation beeinträchtigen und damit auch die Sicherheit im Strafvollzug. Zudem könnten sie für die Zeit nach der Entlassung nichts ansparen, was der Resozialisierung abträglich wäre (…) [Hervorhebungen durch mich].

Im Kanton Solothurn gabe es übrigens einmal einen umtriebigen Oberrichter, der für seine geniale Idee, das Eintreten auf Rechtsmittelverfahren nach damaligem Recht von der Zahlung von Kostenvorschüssen abhängig zu machen, einen Bonus verdient hat. Genial an der Idee war, dass er sich selbst damit auch noch entlastete, was an sich Belohnung genug gewesen wäre. Doch die Regierung liess es nicht nehmen, dem Richter den Bonus zu überweisen. Das änderte selbstverständlich nichts an der Unabhängigkeit des Oberrichters.