Durchsuchung von Smartphones
Smartphones spielen eine immer wichtigere Rolle bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Es kann daher kaum überraschen, dass das Bundesgericht mit Beschwerden in Siegelungsangelegenheiten überschwemmt wird, zumal gegen Entsiegelungsentscheide keine StPO-Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Stand heute lässt sich die Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. bspw. BGer 7B_1146/2024 vom 08.4.2025) wie folgt ganz grob zusammenfassen:
- Wer sein sicherzustellendes Gerät siegeln lassen will, muss die Siegelung innert dreier Tagen seit der Sicherstellung beantragen (Art. 248 StPO).
- Bei der Siegelung mindestens zu nennen ist ein spezifischer Siegelungsgrund nach Art. 264 StPO. Weitere Einlassungen sind nicht notwendig. Es reicht deshalb bspw. die Bemerkung, es seien „persönlich schützenswerte Daten“ auf dem Gerät gespeichert (s. meinen früheren Beitrag).
- Auch das Bundesgericht akzeptiert mittlerweile, dass bei der (vollständigen) Durchsuchung von privat genutzten Smartphones ohne Weiteres davon auszugehen ist, dass persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO tangiert sind. Im Entsiegelungsverfahren muss aber dennoch substantiiert werden, welche konkreten Daten tangiert sind und wo sie zu finden sind (bspw. intime Fotos in einer spezifischen Foto-App oder geschützte Korrespondenz in WhatsApp).
- Handelt es sich um blosse Privatgeheimnisse, die keinen absoluten Schutz geniessen, muss neuerdings auch dargelegt werden, dass das Interesse am Schutz der Persönlichkeit der Inhaberin das Strafverfolgungsinteresse überwiegt. Wenn aber wie in der Schweiz das Strafverfolgungsinteresse derart ausgeprägt ist, ist man damit fast immer zum Scheitern verurteilt. Im oben verlinkten Entscheid äussert sich das Bundesgericht wie folgt:
Zwar ist richtig, dass Smartphones in der Regel eine Vielzahl sensibler Daten enthalten, welche die höchstpersönliche Sphäre ihrer Inhaberin respektive ihres Inhabers tangieren (Urteil 7B_145/2025 vom 25. März 2025 E. 2.7, zur Publikation bestimmt, mit Hinweisen). Insoweit ist es verfehlt, wenn die Vorinstanz bezüglich dessen Durchsuchung von einem „untergeordneten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“ spricht. Zugleich ist festzuhalten, dass der Verdacht der versuchten vorsätzlichen Tötung sehr schwer wiegt und somit ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufklärung dieser Straftat besteht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb das Interesse des Beschwerdeführers am Schutz seiner Persönlichkeit vorliegend dem Strafverfolgungsinteresse vorgehe sollte. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass bei der Durchsuchung von Aufzeichnungen und Gegenständen auch Inhalte gesichtet werden, die sich in der Folge für die Untersuchung als bedeutungslos erweisen, andernfalls eine vorausgehende detaillierte Prüfung aller sichergestellter Aufzeichnungen und Gegenstände durch das Zwangsmassnahmengericht erforderlich wäre (vgl. bereits BGE 108 IV 75 E. 5; ausführlich DAMIAN K. GRAF, Praxishandbuch zur Siegelung, 2022, Rz. 500 und 511). Nach der (vollständigen) Durchsuchung der sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände sind indessen einzig jene Inhalte formell zu beschlagnahmen und zu den Verfahrensakten zu nehmen, die sich als verfahrensrelevant erweisen (vgl. Urteil 1B_313/2013 vom 9. Januar 2014 E. 4.2.2; so ausdrücklich GRAF, a.a.O., Rz. 500).
Da vorliegend das öffentliche Interesse an der Aufklärung der Straftat das Interesse des Beschwerdeführers am Schutz der auf seinem Mobiltelefon gespeicherten persönlichen Aufzeichnungen und Korrespondenz ohne Weiteres überwiegt, droht von vornherein keine Offenbarung eines geschützten Geheimnisses und damit auch kein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (E. 2.5).
Wird das überwiegende Geheimhaltungsinteresse nicht dargetan, tritt das Bundesgericht nicht mehr ein:
Auf eine Beschwerde gegen die Entsiegelung eines Mobiltelefons kann daher nur dann gestützt auf Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO eingetreten werden, wenn die beschwerdeführende Partei dartut oder ohne Weiteres erkennbar ist, dass das Interesse am Schutz ihrer Persönlichkeit gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse überwiegen könnte (Urteil 7B_145/2025 vom 25. März 2025 E. 2.7, zur Publikation bestimmt, mit Hinweisen) [E. 2.4].
Falsch bleibt die Auffassung, es sei vollständig zu durchsuchen und dann seien „einzig jene Inhalte formell zu beschlagnahmen und zu den Verfahrensakten zu nehmen, die sich als verfahrensrelevant erweisen.“ Beschlagnahmefähig sind lediglich Datenträger, nicht aber deren Inhalte. Und weiterhin ungeklärt ist der Rechtstitel , mit dem den Inhabern ein Smartphone weggenommen werden darf. Lehre und Rechtsprechung sprechen immer von „Sicherstellung“. Dafür gibt es aber keine Grundlage im Gesetz.
I disagree!
Während der erste Teil der Aussage eine spezifische juristisch-technische Interpretation zur Beschlagnahme von Dateninhalten darstellt, ist der zweite Teil, der eine fehlende gesetzliche Grundlage für die Sicherstellung behauptet, klar widerlegbar durch Art. 241 StPO.
Begründung 1: Selbstverständlich müssen Daten (und nicht nur dessen Träger*) hier als Gegenstände angesehen und beschlagnahmefähig sein, alles andere, würde ja eine Durchsuchung von Daten verunmöglichen z.B. wenn die Daten dezentral gespeichert wären z.B. 10% vom Foto ist in CH gespeichert, 50% in USA und die restlichen 40% sonst wie verstreut Da wäre es sehr umständlich, alle Datenträger einzusammeln…
* Technisch gesehen wäre ein Smartphone nicht _nur_ ein Datenträger, sondern ein Datenverarbeitungssystem.
Begründung 2: Stellen Sie sich vor, der Beschuldigte hätte ein (verschlüsseltes, physisches) Tagebuch/Briefverkehr, in welcher er die Tat gesteht, aber auch andere verfahrensirrelevante Inhalte innehat. Jedoch um Seite 2 zu lesen, benötigt man den Inhalt von Seite 1 usw.
Zusammengefasst:
– Notwendigkeit der Durchsuchung: Um relevante Beweise auf einem Datenträger (Smartphone/Tagebuch) zu finden, muss man oft den gesamten Inhalt sichten.
– Interessenabwägung: Das Recht auf Privatsphäre ist hoch, aber nicht absolut. Bei schweren Straftaten überwiegt oft das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung.
– Differenzierung nach Relevanz: Obwohl bei der Durchsuchung zwangsläufig auch private, irrelevante Inhalte eingesehen werden, dürfen nur die verfahrensrelevanten Informationen formell verwendet und zu den Akten genommen werden. Die blosse Kenntnisnahme irrelevanter Daten durch die Ermittler wird als notwendiges Übel im Rahmen der Wahrheitsfindung bei schweren Delikten hingenommen.
– Technische Beschlagnahme: Streng genommen wird der Gegenstand (Tagebuch/Smartphone) beschlagnahmt. Das Sichern der relevanten Inhalte ist dann eine Folge der erlaubten Durchsuchung dieses Gegenstands.
@Laie: Ich bleibe bei meinem Standpunkt. Art. 241 StPO hilft Ihnen m.E. nicht. Aber ich gebe zu, ausser Oberholzer (und mir) sind alle anderer Meinung.
Das substantiierte Vorbringen von Geheimhaltungsinteressen vor BGer ist eine Eintretensfrage – das leuchtet mir ein. Ich verstehe das BGer aber nicht so, wie das in Kommentaren zu früheren Posts vorgebracht wurde, dass die akzessorischen Rügen (insb. Tatverdacht, Verhältnismässigkeit) „automatisch“ nicht mehr geprüft (und faktisch auf den Beschwerdeweg gegen die Beschlagnahmeverfügung verschoben) werden, wenn das BGer das Vorliegen eines (überwiegenden) Geheimhaltungsinteresses in der Sache verneint hat.
@U GS: ich verstehe das BGer auch nicht so.
@unwissender GS: doch; das ist logisch und macht Sinn: sollten die Geheimhaltungsinteressen (Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO) nicht substantiiert vorgebracht worden sein oder das öffentliche Interesse (trotz ausreichender Substanttierung!) überwiegen, werden keine akzessorischen Rügen mehr geprüft. Das Wort „akzessorisch“ sagt es ja schon selber. Das wäre auch nicht die Aufgabe des Entsiegelungsrichters, sondern diejenige der kantonalen Beschwerdeinstanz (Beschwerde gegen formelle Beschlagnahmeverfügung).
@Anonym: Treffend zusammengefasst, danke.
@Unwissender GS:
Der Kommentar (05/04/2025 um 23:52 Uhr ff.) in diesem früheren Post, auf den Sie sich wohl u.a. beziehen, wurde von mir verfasst; mit Verweis auf BGE 7B_313/2024 vom 24.09.2024 (E. 4.3 und 4.4).
Es ist nicht auszuschliessen, dass meine Schlussfolgerungen (und die von Anonym) unzutreffend ist. Falls meine Interpretation von E. 4.3 und 4.4 nicht stichhaltig sein sollte, wäre es hilfreich, wenn Sie oder auch jemand anderes seine Sichtweise dazu schildern und begründen könnte.
Zur Diskussion steht die bundesgerichtliche Auslegung – nicht das tatsächliche Vorgehen der Behörden. Trotz der einheitlichen StPO hat sich, wie bekannt, eine durchgängig uniforme Praxis in den Kantonen bislang (noch) nicht nachhaltig etabliert.
@ Anonym: Das sehe ich nicht so. Das BGer sagt doch praxisgemäss, dass die Siegelung trotz ihres Fokus auf den Schutz von Geheimhaltungsinteressen auch die Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Durchsuchung ermöglichen soll (Stichwort: „ad-hoc-Beschwerde“):
1B_136/2012, E. 4.4: «Zwar ist es die primäre Aufgabe des Entsiegelungsrichters zu prüfen, ob schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen einer Durchsuchung bzw. Beschlagnahme entgegen stehen. Falls die […] betroffene Person neben Geheimhaltungsgründen auch noch andere akzessorische Einwände vorbringt, sind diese jedoch ebenfalls im Siegelungsverfahren zu prüfen. Dies gilt namentlich für akzessorische Rügen des fehlenden hinreichenden Tatverdachtes oder der mangelnden Untersuchungsrelevanz der erhobenen Aufzeichnungen und Gegenstände bzw. für Fragen der Verhältnismässigkeit.»
1B_117/2012, E. 3.3: «Aus prozessökonomischen Gründen und zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten und Abgrenzungsproblemen erscheint es sinnvoll, den Anwendungsbereich des Siegelungsverfahrens weit zu fassen und sämtliche Einwände gegen die Durchsuchung im Entsiegelungsverfahren zu prüfen, sofern es dem Berechtigten im Ergebnis darum geht, die Einsichtnahme der Staatsanwaltschaft in die sichergestellten Unterlagen und deren Verwertung zu verhindern. In allen diesen Fällen gewährleistet das Siegelungsverfahren einen adäquaten Rechtsschutz und eine schnelle Klärung der Rechtslage.»
Zwar fehlt seit 1. Januar 2024 im Wortlaut von Art. 248 Abs. 1 StPO bekanntlich der Begriff «aus anderen Gründen». Diese Rechtsänderung zielt aber gemäss Bundesrat bloss darauf ab, dass die Siegelung nur noch erhoben werden können soll, wenn Inhaber Geheimhaltungsinteressen substantiiert geltend machen (BBl 2019 6697, 6751). Das BGer vollzieht diese Rechtsänderung m.E. konsequent richtig nun mit einer restriktiveren Praxis bei den Eintretenshürden für Beschwerden gegen Entsiegelungsentscheide (vgl. 7B_145/2025, E. 2.5 «substantiiert angerufen»; 7B_313/2024, E. 4.3 und 4.4 «angerufen»). Macht der Beschwerdeführer aber substantiiert überwiegende Geheimhaltungsinteressen geltend, hat sich das BGer an die bisherige Praxis zu halten und alle Einwände zu prüfen, auch wenn es zuvor erkannt hat, dass das Strafverfolgungsinteresse überwiegen sollte. Alles andere wäre m.E. eine Kognitionsbeschränkung ohne gesetzliche Grundlage, die materieller Rechtsverweigerung gleichkäme.
Zuletzt: BSK StPO-Brechbühl/Thormann, Art. 248 N 3, die die von Anonym beschriebene Auffassung stützen, belegen ihre Ansicht ohne Hinweise auf Gerichtspraxis („[…] u.E. nach dem klaren Willen des Gesetzgebers […]“; der ist ja in der StPO oft sehr „klar“).
@Unwissender GS: Ich glaube im Wesentlichen liegen meine (sowie von Anonym) und ihre Position – zumindest im Ergebnis – wohl nahe beieinander.
Mein ursprünglicher Post – hier nochmals nachzulesen, inkl. Präzisierung @Siegelung sowie Verweise auf BGEs – bezog sich auf den Fall eines Nichteintretens auf die Beschwerde im Siegelungsverfahren (kein Geheimhaltungsrecht substanziiert angerufen).
Die entscheidende Frage scheint mir zu sein, wann genau auf eine Beschwerde, die sich auf Geheimhaltungsinteressen stützt, im Entsiegelungsverfahren überhaupt eingetreten wird. Hier bringt @KJ in seinem Beitrag, worauf sich übrigens mein Post bezieht, einen zentralen Punkt auf. @KJ zitiert dabei BGE 7B_145/2025E. 2.7:
„Daraus folgt, dass auf eine Beschwerde gegen die Entsiegelung eines Mobiltelefons nur dann gestützt auf Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO eingetreten werden kann, wenn die beschwerdeführende Partei dartut oder ohne Weiteres erkennbar ist, dass das Interesse am Schutz ihrer Persönlichkeit gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse überwiegen könnte.“
Siehe übrigens auch ganz oben Punkt 4. in diesem Beitrag von @KJ:
„…muss neuerdings auch dargelegt werden, dass das Interesse am Schutz der Persönlichkeit der Inhaberin das Strafverfolgungsinteresse überwiegt.“
Darauf wird sich @Anonym beziehen: auf das Überwiegen des öffentlichen Interesses gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse. Diese Abwägung kann bereits auf der Stufe des Eintretens erfolgen.
Erst wenn mindestens diese Eintretenshürde genommen ist (Geheimhaltungsinteresse ausreichend substanziiert; kein Überwiegen des öffentlichen Interesses), kann, nach dem Eintreten, überhaupt eine akzessorische Prüfung der allgemeinen Zwangsmassnahmenvoraussetzungen (wie Tatverdacht, Verhältnismässigkeit) stattfinden.
Zur Sicherstellung und Beschlagnahmefähigkeit von Aufzeichnungen – Gesetzesgrundlage:
Auch wenn der Wortlaut der StPO in Bezug auf die Begriffe „Sicherstellung“ und „Beschlagnahme“ im digitalen Kontext nicht trennscharf erscheint, legen unter anderem die nachfolgend zitierten Bestimmungen nahe, dass eine gesetzliche Grundlage durchaus besteht:
a) Zur Durchsuchung (aller) Inhalte:
Art. 247 Durchführung (Abschnitt: Durchsuchung von Aufzeichnungen)
….
2 Zur Prüfung des Inhalts der Aufzeichnungen, insbesondere zur Aussonderung von Aufzeichnungen mit geschütztem Inhalt, können sachverständige Personen beigezogen werden.
….
Die Möglichkeit der Aussonderung von geschütztem Inhalt (Abs. 2) impliziert, dass ohne eine solche Aussonderung bzw. wenn z. Bsp. kein qualifiziertes Geheimnisschutzinteresse (wie das Anwaltsgeheimnis nach Art. 264 Abs. 1 lit. a) vorliegt und die Entsiegelung bewilligt wurde, grundsätzlich eine Durchsuchung der gesamten Aufzeichnungen des Smartphones erfolgen kann (aber nicht muss), um verfahrensrelevante Informationen zu finden. Es werden indessen einzig die Inhalte beschlagnahmt und zu den Verfahrensakten genommen, die sich als verfahrensrelevant erweisen (Eingrenzungsfunktion).
b) Zur gesetzlichen Grundlage der Sicherstellung:
Die Sichtweise, eine Sicherstellung sei gar nicht im Gesetz geregelt, wird durch den Wortlaut von Art. 248 StPO zumindest implizit widerlegt:
Art. 248 Siegelung (Abschnitt: Durchsuchung von Aufzeichnungen)
1 Macht die Inhaberin oder der Inhaber geltend, bestimmte Aufzeichnungen oder Gegenstände dürften aufgrund von Artikel 264 nicht beschlagnahmt werden, so versiegelt die Strafbehörde diese. Die Inhaberin oder der Inhaber hat das Begehren innert drei Tagen seit der Sicherstellung vorzubringen. Während dieser Frist und nach einer allfälligen Siegelung darf die Strafbehörde die Aufzeichnungen und Gegenstände weder einsehen noch verwenden
…
Dieser Artikel verwendet den Begriff „Sicherstellung“ explizit als rechtlichen Anknüpfungspunkt. Es beschreibt den Akt der tatsächlichen Inobhutnahme des Gegenstandes durch die Behörde. Auch wenn der Begriff nicht umfassend definiert ist, ist er klar im Gesetz verankert. Solange keine Beschlagnahme erfolgt, gelten Aufzeichnungen und Gegenstände demnach als sichergestellt.
c) Zur Beschlagnahme von Inhalten (Aufzeichnungen):
Die Sichtweise, nur der Datenträger (das gesamte Smartphone rechtlich gesehen wohl ein Datenträger), nicht aber dessen Inhalte seien einzeln beschlagnahmefähig, scheint ebenfalls nicht mit der Logik der StPO vereinbar:
Art. 246 Grundsatz (Abschnitt: Durchsuchung von Aufzeichnungen)
Schriftstücke, Ton-, Bild- und andere Aufzeichnungen, Datenträger sowie Anlagen zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen dürfen durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen.
Dieser Artikel verknüpft die Durchsuchung von Aufzeichnungen direkt mit dem Zweck, Informationen zu finden, die der Beschlagnahme unterliegen. Dies zielt klar auf die Beschlagnahmefähigkeit des Inhalts ab. „Aufzeichnungen“ und „Datenträger“ sind zudem in Art. 246 eigenständige Kategorien. Daraus folgt, dass nicht zwangsläufig der gesamte Datenträger beschlagnahmt werden muss, wenn nur bestimmte Aufzeichnungen darauf relevant sind. Die Begriffe sind also getrennt auszulegen und ermöglichen eine differenzierte Massnahme.
Art. 264 Einschränkungen (Kapitel: Beschlagnahme)
1 Nicht beschlagnahmt werden dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind:
…
b. persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt;
…
Diese Bestimmung schützt explizit bestimmte Inhalte (persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz) vor Beschlagnahme, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Tatsache, dass das Gesetz bestimmte Inhalte ausnimmt, bestätigt im Umkehrschluss, dass andere, nicht geschützte Inhalte eingeschlossen und somit (einzeln) beschlagnahmefähig sind, sofern sie als Beweismittel relevant sind.
Fazit:
Die Gesetzeslage erlaubt es durchaus, nicht das gesamte Smartphone als Datenträger zu beschlagnahmen, sondern gezielt einzelne, relevante Aufzeichnungen daraus; das Gesetz schliesst die gezielte Beschlagnahme einzelner Aufzeichnungen jedenfalls keineswegs aus. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Möglichkeit (Beschlagnahme einzelner Aufzeichnungen) in der Praxis auch tatsächlich so umgesetzt wird. Die Frage bezog sich jedoch auf die gesetzliche Grundlage, und die scheint gegeben, sofern mir nichts Wesentliches entgangen ist.
@Rob: Informationen sind nicht beschlagnahmefähig, Informationsträger schon.
„Es werden indessen einzig die Inhalte beschlagnahmt und zu den Verfahrensakten genommen, die sich als verfahrensrelevant erweisen (Eingrenzungsfunktion).“
Das führt in der Praxis dazu, dass nur belastende Inhalte zu den Akten genommen werden, entlastende nicht. Und selbst wenn beantragt, verweigert die Behörde den Zugang zu letzteren.
Mit letzterem nicht ganz einverstanden. Eine Gesetzesgrundlage für die Wegnahme eines Smartphones bzw. dessen „Sicherstellung“ findet sich in Art. 263 Abs. 3 StPO.