Kein Anwalt der ersten Stunde im Thurgau
Nach einem neuen Urteil des Bundesgerichts (1P.556/2006 vom 25.01.2007) besteht kein verfassungsmässiger Anspruch auf die Anwesenheit des Verteidigers bei einer polizeilichen Einvernahme:
Soweit der Beschwerdeführer behauptet, aus Art. 32 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK ergebe sich ein Recht auf Anwesenheit des Verteidigers bei der polizeilichen Einvernahme, kann ihm nicht gefolgt werden (BGE 104 Ia17 E. 4 S. 19 ff.; …). […]. Die vom Beschwerdeführer angerufenen Verfassungs- und Konventionsbestimmungen statuieren hingegen kein Recht auf Anwesenheit der Verteidigung an einer Einvernahme im polizeilichen Ermittlungsverfahren. Es ist somit hier auch keine verfassungswidrige Umgehung von Verteidigungsrechten zu erkennen E. 3.3).
So weit so schlecht. Der Beschwerdeführer rügte ferner die willkürliche Anwendung kantonalen Rechts. Dieses sehe nicht vor, dass der Verteidiger nicht anwesend sein dürfe:
Auch der Rüge des Beschwerdeführers, die Auslegung der Bestimmungen der kantonalen Strafprozessordnung durch die Anklagekammer sei willkürlich, kann nicht gefolgt werden. Die Teilnahme der Verteidigung an Untersuchungshandlungen ist nach § 70 f. StPO/TG für das polizeiliche Ermittlungsverfahren im Unterschied zum Untersuchungsverfahren (§ 77 StPO/TG) nicht vorgesehen. Der Beschwerdeführer führt zwar richtig aus, er sei nicht verpflichtet, bei der polizeilichen Einvernahme auszusagen (vgl. Hauser/Schweri/Hartmann, a.a.O., § 75 Rz. 3). Allein die Gefahr, dass sich die polizeiliche Einvernahme ohne Verteidiger wegen Aussageverweigerung des Beschuldigten als unergiebig erweisen könnte, lässt den angefochtenen Entscheid indessen nicht als willkürlich erscheinen (E. 3.4).
Der Entscheid kann angesichts der Willkürkognition natürlich nicht als falsch bezeichnet werden. Aber die Begründung, ein Verteidiger sei nicht zuzulassen, wo das Gesetz dies nicht vorsehe, erscheint mir nicht überzeugend. Hat denn ein Beschuldigter nur Rechte, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht?
Aber was soll’s. Beschuldigte die ohne Anwesenheit eines Anwalts aussagen, verdienen keinen Schutz durch die Verfassung. Sie haben wohl etwas zu verbergen und versuchen, dies durch Kooperation zu kompensieren. Denn wer nichts zu verbergen hat, hat auch keinen Grund, auszusagen. Oder wie war das?