Massnahmenvollzugswirklichkeit

Das Bundesgericht scheint weiterhin zu glauben, stationäre Massnahmen seien in der Regel geeignet, der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten zu begegnen (Art. 59 Abs. 1 lit. b StGB) und winkt Verlängerungsentscheide kantonaler Gerichte praktisch ausnahmslos durch.

In einem neuen Entscheid hat es die Beschwerde gegen einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau abgewiesen, der nicht einstimmig ergangen war (BGer 6B_969/2017 vom 25.10.2017). Dass die aargauischen Gerichte das Stimmenverhältnis kommunizieren ist vorbildlich.

Persönlich kann ich mir die rigide Haltung des Bundesgerichts nur so erklären, dass es sich nicht ganz realistische Vorstellungen darüber macht, wie solche Massnahmen vollzogen werden. Darauf schliessen lassen mich Erwägungen wie die folgende:

Die Verhältnismässigkeitsprüfung lässt sich nicht von diesen entscheidwesentlichen Tatsachen abstrahierend durchführen. Der Beschwerdeführer bedarf der konsequenten spezifischen Medikation und begleitenden Psychotherapie, der durchgehend strukturierten sozialpädagogischen Betreuung, einer strikten Abstinenz von multiplem Substanzgebrauch sowie ihm in heiklen sozialen Konstellationen zur Verfügung stehender Copingmöglichkeiten. Es muss vorerst die psychische Stabilität hergestellt werden. Diese Bedingungen sind einzig in einem stationären therapeutischen Setting herstellbar. In der JVA Solothurn war es wegen eines Wechsels des Behandlungsteams und medikamentöser Änderungen zu erneuten aggressiv-provozierenden Verhaltensstörungen gekommen (Urteil S. 10). Ungeachtet einer allfälligen Fehlplatzierung beweist dieses Vorkommnis, dass der Beschwerdeführer Veränderungen (noch) nicht gewachsen ist und deshalb in einer derartigen Situation mit unkontrolliert gewaltförmigen Ausbrüchen reagiert, die sich in einem nicht stationären Rahmen gefährlich zuspitzen können. Beide Gutachter sind jedoch durchaus optimistisch, dass eine stabile psychische Situation therapeutisch erarbeitet werden kann. Eine bedingte Entlassung mit der Auflage einer ambulanten Behandlung in Freiheit muss dagegen im heutigen Zeitpunkt als illusorisch erscheinen. Der Beschwerdeführer ist aufgrund seines Störungsbildes gar nicht in der Lage, auf sich gestellt den gutachterlichen Vorgaben gerecht zu werden (E. 2.3.4, Hervorhebungen durch mich).

Angesichts der vom Bundesgericht zusammengefassten Minderheitsmeinung der Vorinstanz wirkt diese Begründung fast zynisch:

Die Rückfallprognose überzeuge nicht, nachdem die UPK Basel 2014 zum Schluss gekommen seien, dass keine schwerwiegenden Delikte zu erwarten seien, und auch Dr. med. C. die Rückfallgefahr als mittelgradig eingeschätzt habe. Die Verlängerung verletze nach dieser Auffassung das Verhältnismässigkeitsprinzip. Der Beschwerdeführer sei während acht Jahren von einer Institution in die andere verschoben worden. Es sei nicht ersichtlich, was mit einer Weiterführung der Massnahme erreicht werden könne. Die Verlängerung wegen einer während acht Jahren (vermutungsweise) falsch gestellten Diagnose und damit zusammenhängend auch die allenfalls (vermutungsweise) nicht lege artis durchgeführte Behandlung liessen sich unter keinem Titel rechtfertigen (Urteil S. 14) [E. 2.3.1].

Dem wäre an sich nichts beizufügen. Man darf nun aber gespannt sein, wie in fünf Jahren die nächste Verlängerung begründet wird.